Wissen können Plötzlich schoß wieder etwas durch Frl. Dr. Augustes Kopf. Ein Gedanke schoß. Auguste erinnerte sich, daß es gewissermaßen vor der Ewigkeit gleichgültig wäre, ob sie dem Mann folgte oder nicht, wie es seinerzeit gleichgültig gewesen war, ob sie dem Zehnmädchenpensionat folgte, oder in entgegengesetzter Richtung ginge. Frl. Dr. Leb war schon in der Schule ein gescheites Mädchen gewesen.  Denn wer konnte es wissen, ob der fliehende Mann von großen Ereignissen käme, oder zu großen Ereignissen zu laufen im Begriffe wäre. Wer wollte es wagen zu entscheiden, ob Frl. Dr. Auguste dem Manne folgen sollte, oder in entgegengesetzter Richtung fahren mußte? Und welches war überhaupt die entgegengesetzte Richtung? Und genau genommen hätte sie in jener entgegengesetzten Richtung gehen müssen, nicht fahren, da ja seinerzeit der Mann aus jener Richtung zu Fuß gekommen war. Salzige Zweifel überschlugen sich. Denn wer konnte es wissen, ob sie nicht gerade wegen der Gegensätzlichkeit in entgegengesetzter Richtung hätte fahren müssen und in gleicher Richtung laufen? Wer konnte überhaupt etwas wissen? Und es wurde ihr klar, daß der Dr. Leb nichts wissen konnte.  Und sie empfand in aller Eile die Genugtuung, nun gewissermaßen sogar Frl. Dr. Professor zu sein, wenigstens außerordentlicher Professor, und zwar weil sie nichts wissen konnte.   - Kurt Schwitters, Auguste Bolte. Erzählung. Zürich 1966 (zuerst 1923)
 

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