irtshaus   Wir traten in die kühle stuben und setzten uns an einen tisch. Es war niemand andrer da. Der schwartze wirt trat auf eine gewisse stelle der dielen, sagte etwas in einer fremden Sprache, und verschwand drauf in einer falltüre. Unter uns polterte und pumperte es, mir schien's, als hätte sich der dunkle wirt arme und beine gebrochen, da ich jedoch die sitten und brauche dieser wojwodschafft noch nicht kannte, gedacht ich abzuwarten. Inzwischen betrat ein tintenschwartzes, schönes frauenzimmer, gantz jung noch, den raum und stellte zwei gläser auf unsren tisch. Sie sagte kein wort, blitzte aber lustig mit ihren augen. »Good morning«, grüßte ich sie, »rather warm outdoors, fair one!« »Oh, not too warm ..« meinte die anmutige waldmohrin und fing an, ihre weiße bluse zu öffnen. Oh verzeiht meine schöne! Aber was tu ich in dieser heiklen situation? Mach ich die augen zu, muß ich mich meines schnurrbarts schämen, bin dessen nimmer würdig, lass ich sie offen, verstoße ich gegen jegliche sitten und manieren, bin ein türck unter ächten cavalieren? Haltet ein, meine schöne .. Ach, draußen vor dem fenster fliegt ein zaubervogel mit grünen goldfedern am hintern, den muß ich sehn, der fliegt kein zweites mal, mein zeichenstift, mein pinsel, meine camera, mein terzerol! Da ich mich wieder umdrehe, hat der gute bär sein glas voll milch, und die mohrentochter (sie wird's gewiß sein, dem alten mit der schürtze seine tochter..) tut ihre blumenweiße bluse wiedrum zu, ein kleiner spalt noch, eidechsschnell ein schwartzer schatten haut, und aus .. der letzte knöpf am hals .. Sagt die anmutige nach dem letzten perlmutter: »Father will be back with Milords wine in a minute.« Und geht an die selbe stelle, da der wirt zuvor verschwunden, spricht auch was, und rummbummdrummblummdong! die falltür funktioniert in ihrer maschinerie, und das mädchen ist im erdboden versunken.  - H.C.Artmann, Der aeronautische Sindtbart oder Seltsame Luftreise von Niedercalifornien nach Crain. Ein fragment von dem Autore selbst aus dem yukatekischen anno 1958 ins teutsche gebracht sowie edirt & annotirt durch Klaus Reichert. München 1975 (dtv 1067, zuerst 1958)

Wirtshaus (2)  DAS WiRTSHAUS "ZUM FLIEGENDEN ARSCH"  

Ich, Benjamin Peret, bescheinige mit meiner Unterschrift, daß die nachstehenden Zeilen nach meinem Diktat geschrieben wurden, wobei der erste Teil vor und der zweite Teil nach dem Beischlaf entstand.

1. Vorher

Der Mann mit der wilden Hode kletterte von dem Baum, auf dem er seit seiner ersten Ehe saß. Er hatte in jeder Hand ein Geschlechtsteil, aus dem Millionen kleiner Larven krochen, die sogleich hochflogen und sich auf dicken, blauen Blumen niederließen. Bei der Berührung mit diesen Larven schnellten die Blumen empor, als seien sie aus Gummi.

Der Mann war ein doppeltes Männchen. Er ging auf eine Felswand zu, auf der sich in Mannshöhe eine Linie mit Vaginen abzeichnete. Mit dem Finger berührte er eine von ihnen, und sie gab einen schrillen Ton von sich, die zweite einen noch schrilleren, die dritte verriet beim Berühren, daß sie feinnervig war wie eine Augenbraue. Auf die vierte drückte er aus Leibeskräften mit dem Daumen, so daß der Stein eine Delle bekam. Je tiefer diese Delle wurde, desto weiter ragten zwei große, weiße Arme sowie zwei Beine hervor, die genauso weiß wie die Arme waren, und bedeckten sich im Nu mit Rosen.

Der Mann verschwand, während anstelle der vierten Vagina ein langes, dünnes Rinnsal aus Schwefel bis hinab auf den Boden floß. Nicht weit von dort verließ eine große, gelbe Blume, die sich ein wenig öffnete, ihr Wurzelbett und rankte sich um einen Baum, eine Art Magnolie. Sie preßte sich auf eine der Blüten dieses Baums, der in ihrer Blütenkrone verschwand; und auch von dieser sah man ein paar Minuten später Schwefel heruntertropfen.

Von der Stelle, wo der Mann verschwunden war, ging jetzt ein Geräusch wie von einem mit voller Geschwindigkeit sich drehenden Propeller aus, und im Sekundentakt flogen Knochensplitter und Fetzen von Fleisch aus dem Loch, in das der Mann hineingegangen war.

Vier Fliegen und zwei dicke, blaue Spinnen begannen, lautlos das Häuflein Knochen und Fleisch zu umkreisen, das anfing, sich um sich selber zu drehen. Bald bildete sich ein Kopf heraus, dann ein Arm, ein Bein, ein Geschlecht, und schließlich war der komplette Körper eines neugeborenen Kindes zu sehen.

Das Kind langte mit der Hand nach seinem Geschlechtsorgan, das männlich war; die Riegen und Spinnen verschwanden durch dasselbe Loch wie zuvor der Mann. Das Kind, mit der Hand an seinem Geschlechtsteil, ejakulierte. Die Bäume, die Tiere, die Felsen krümmten und verbogen sich und bildeten alle zusammen die Form einer Vagina. Das Kind stand auf und lief zu dem Baum, den es umfassen wollte, doch der Baum verflüssigte sich und rann ihm zwischen den Armen hindurch; es lief zu den Felsen, und diese flogen davon.

Abermals berührte das Kind sein Geschlecht mit dem Finger und ejakulierte. Ein Spalier von männlichen Gliedern wuchs rechts und links von ihm empor, und das Kind flog davon, verfolgt von zwei Brüsten, die eine weiß, die andere schwarz. Es landete in einiger Entfernung am Ufer eines Bachs; und dort sah es den Mann mit der wilden Hode aus dem Wasser steigen, die Hände voller Exkremente, die an der Luft zu blühen anfingen. Ein kleines Gehirn sauste zischend herab, drang in den Schädel des Kindes und sorgte dafür, daß es wuchs.

Der Mann tat das Kind in seinen Bauch, und zwei junge Spanierinnen warfen sich vor ihm zu Boden und küßten mit Leidenschaft seine Rute. Plötzlich wurden sie ganz rund und bekamen Sprenkel und Recken wie die eines Leoparden.

Der Mann erstarrte, als schicke er sich an zu sterben; die Frau, die gerade seine Rute leckte, erstarrte ebenfalls.

Und durch ein spiraliges Kreisen in Bewegung versetzt, versanken beide schnurstracks in einer elektrischen Wolke und landeten vor den Füßen Gottes.

2. Nachher

Der Teppichhändler blieb vor dem Wirtshaus stehen und sagte: „Frische kleine Mädchen, blütenweiße junge Knaben! Wer möchte welche, meine Damen und Herren?"

Der Mann mit dem Schildpattnabel, der eine Hand auf dem Kopf trug, erwachte aus dem langen Schlaf, zu dem er sich in Gesellschaft einer Negerin hingelegt hatte. Die hatte er aus einem Land mitgebracht, in dem die Pflanzen sich fortbewegen und im Gehen den Beischlaf vollziehen können. Er zog seinen Revolver und feuerte auf den Händler, doch der hatte den Schuß schon geahnt und warfsich, in etwa die Gestalt einer Schildkröte annehmend, flach auf den Boden.

Beim Betrachten der elektrischen Lampen geriet er allmählich in einen Rausch. Da kam die kleine Sternenhändlerin vorbei und verkaufte aller Welt ihre duftende, kleine Ware, so daß sie sich an diesem Tag ein Abendessen leisten konnte.

Der Mann mit dem Schildpattnabel erwachte wieder als erster. Eine Taube, die den Ölzweig im Schnabel trug, flatterte über seinem Kopf herum. Er öffnete das Fenster, die Luft war rein, der Himmel blau, die Vögel sangen, doch alle Männer hockten in den Bäumen und aßen mit den Vogelweibchen, während die Vogelmännchen in den Betten der Frauen lagen.

Es war der Morgen des 2. April 1922, und die Maschinen litten wie Wöchnerinnen. Nur der Mann, der sich wie eine Schildkröte flach zu Boden geworfen hatte, reckte den Kopf der Vulva entgegen, die er in einiger Entfernung erblickte, doch auf jede Bewegung, die er machte, um vorwärtszukriechen, reagierte die Vulva mit einer Rückwärtsbewegung.

Eine zufällig zwischen ihnen hindurchfliegende Krickente verstand ihre Erregung und willigte ein, sich ganz lang zu machen, um eine Verbindung zwischen ihnen herzustellen. Die Schnabelspitze auf die Vulva drückend, einen Fuß auf dem Kopf des Mannes, drehte sie sich.

Der Mann mit dem Schildpattnabel sah sie, und laut auflachend sagte er zu ihnen:

„Ihr seid ganz schön gestraft, ihr Ärmsten." - Benjamin Péret, Das Wirtshaus zum Fliegenden Arsch. Aus (per)

Wirtshaus (3)  Bild:  Man tritt durstig in ein Wirtshaus. Der Wirt sitzt hinter seinen Gläsern und Flaschen, er ist tot. - (heb)

Wirtshaus (4)   Ich recke mich und blicke durch die Glastür in das Innere des Wirtshauses; wie in ein Panoptikum. In karminrotem, trübem Leuchten ohne Lichtkern stehen titanenhafte breitschultrige Gestalten mit hellzinnoberrotem Taffet bekleidet, der deutlich eine außerordentliche Muskulatur abzeichnet. Hellzinnoberrote Larven verbergen die Gesichter. Die athletischen Männer halten auf ihren wagerecht ausgestreckten Armen das Opfer. Lustmord? Sie zerschneiden (glatt, wie mit Rasiermessern) ganz frisches Fleisch eines völlig nackten Mädchens. Rasche Bewegungen wie bei einer Operation. Keinerlei Geräusch. Nur einige Sekunden währt mein Blick, da kreuzt ihn aus dem Larvenschlitz hervor ein Raubtierauge. Ich pralle zurück. Zu spät! Der hellrot-tafftene Muskulöse springt durch die geschlossene Glastür wie ein Panther auf mich — beißt mich in den Oberarm. Ich sinke ohnmächtig aufs Pflaster. Erwacht stellte ich fest, daß ich mich im Lazarett befinde, mein Arm jedoch nicht gebissen worden, vielmehr gerade eingeschlafen ist.   - Wieland Herzfelde, nach (je)

Wirtshaus (5)  der wirt zum blutenden herzen kam höflich bis an die schwelle, um seine gäste zu empfangen, er hatte kaum die treppe verlassen, als ein kind von höchstens zehn jahren, das klein, lahm und etwas verwachsen war, eintrat, es gab einen kehligen ton von sich, der wind bewegte pfeifend das rostige blechschild, auf dem man ein rotes, von einem pfeil durchbohrtes herz sah. ein dichter, feuchter nebel stieg auf. es wurde abend.

lorenzoni erschien selbst und hob eine handvoll feinen sandes auf, die er dem mörder ins gesicht warf, es war fünf uhr morgens, es war kalt und schneite.

kaum hatte lorenzoni die stube verlassen, als plötzlich ein mann hereinhuschte, er nahm einen hammer vom tisch, sprang auf das bett und befestigte eine dicke pappe an der wand, worauf er sich wieder entfernte.

während die beiden feurigen pferde auf dem pfiaster des hofes scharrten, schlug ein riesenhafter lakai den wappengeschmückten wagenschlag zu.

ein kammerdiener öffnete die beiden flügel der türe und meldete: «küsse sie, vetter, du hast handschuhe an.»

dabei warf er sich auf einen lehnstuhl, schleuderte mit einer gebärde der Verzweiflung den hut weg, legte das linke bein auf das rechte knie, nahm den fuss in die hand und jammerte weiter, dieser augenblick schien nahe zu sein.

die wirtin hörte ein geräusch an der türe, aber sie begann, sich zu entkleiden, einen dolch, den sie im mieder verborgen hatte, zog sie aus der scheide und legte ihn auf den kamin. die klinge war dreikantig geschliffen und die spitze vergiftet, die wirtin war etwa vierzig jähre alt, gross, stark, gerötet, mit einem anflug von bart. ihre arme und ihre grossen hände verrieten eine ungewöhnliche kraft, oft leuchtete aus ihrem blick eine trübe melancholie wider, ihr kleiner mund, ihre feine, gerade nase und ihr kinn waren von lieblichster form, flechten von blondem haar fielen über die wangen. eine korallenschnur umgab einen hals von blendender weisse. wahrhaftig, ihr viel zu weites kleid liess die taille gerade noch ahnen.  - Konrad Bayer, kriminelle ansätze. Aus: K. B., Das Gesamtwerk. Hg. Gerhard Rühm. Reinbek bei Hamburg 1977


Haus

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