intergrün Das unvermutete Aufblitzen, die Schneide, die kurze, scharfe Härte einer Klinge. In ihr: Schrecken. Er, sicherlich, hatte überraschend zugestoßen, und dann weitergetrieben, drinnen in der Gurgel, in der Luftröhre, mit hartnäckiger Sicherheit. Das »Handgemenge«, wenn man überhaupt annehmen wollte, daß es dazu gekommen sei, konnte nicht mehr gewesen sein als ein kläglicher Versuch von Seiten des Opfers - ein entsetzt Blick, der sofort flehend wurde, der Ansatz zu einer Geste: eine kaum erhobene Hand, eine weiße Hand, um das Entsetzen abzuwenden, ein Versuch, den Arm zu packen, die Hand des Mörders, unbarmherzig und schwarz, die Linke, die ihr schon das Antlitz zerkrallte und ihr den Kopf nach hinten drückte, um die Kehle freizulegen, ganz nackt und wehrlos gegen das Aufflammen einer Klinge: die die Rechte schi gezückt hatte mit der Absicht, zuzustoßen, zu töten.
Eine wächserne Hand hielt inne, sank herab ... als Liliana
das Messer schon in der Gurgel steckte und ihr
die Luftröhre zerriß, zerfetzte, und das Blut beim Einschnaufen ihr in
die Lungen hineinrannte - und bei Ausatmen so herausgurgelte, mit Husten
und Keuchen, daß es jetzt aussah wie lauter rote
Seifenblasen; und die Halsschlagader und die Vene spuckten es aus wie zwei
Pumphähne, pluff, pluff, einen halben Meter weit. Der Atem der letzte Atemzug,
ganz verklemmt und blasig in diesem fürchterlichen Purpur ihres Lebens;
und man spürte das Blut, im Mund, und sah jene Augen, die nicht mehr menschliche
über der Wunde; das langte noch nicht hin, weitermachen, noch ein Ruck:
die Augen dieses maßlosen Ungeheuers! Die unerwartete Wildheit der Dinge,
plötzlich enthüllte sie sich ihr ... flüchtige Jahre! Aber die Qual nahm
ihr die Sinne, vernichtete die Erinnerung, das Leben. Ein süßlicher, ein
lauer Wohlgeschmack der Nacht. Die schneeweißen Hände mit diesen zarten
Nägeln, wintergrünlich nun gefärbt, wiesen keine Schnitte auf: sie hatte
die Klinge nicht anfassen können, nicht gewagt, sie anzufassen oder den
Willen des Schlächters aufzuhalten. Das Gesicht und die Hände zeigten sich
hier und dort verkratzt, der Müdigkeit und Blässe des Todes, als ob der
Haß noch über den Tod hinausgereicht hätte. Die Finger trugen keine Ringe,
der Ehering war verschwunden (kam ihm in diesem Augenblick auch gar nicht
in den Sinn, daß er auf dem Altar des Vaterlandes gelandet sein konnte).
Das Messer hatte hemmungslos drauflosgearbeitet. Liliana! Liliana! Don
Ciccio schien es, als ob alle Formen der Welt sich verdunkelten, alles
Liebliche auf dieser Welt. - Carlo Emilio Gadda, Die gräßliche Bescherung
in der Via Merulana. München 1988
Wintergrün (2) Ruhm
und Jugend auf Ein Mal ist zu viel für einen Sterblichen.
Unser Leben ist so arm, daß seine Güter haushälterischer vertheüt werden müssen.
Die Jugend hat vollauf an ihrem eigenen Reichthum und kann sich daran genügen
lassen. Aber im Alter, wann alle Genüsse und Freuden, wie die Bäume im Winter,
abgestorben sind, dann schlägt am gelegensten der Baum des Ruhmes aus, als ein
ächtes Wintergrün: auch kann man ihn den Winterbirnen vergleichen, die im Sommer
wachsen, aber im Winter genossen werden. Im Alter giebt es keinen schönern Trost,
als daß man die ganze Kraft seiner Jugend Werken
einverleibt hat, die nicht mit altern. -
(
schop
)
|
||
|
||