Wink des Schicksals   Jakob wollte gerade die Geschichte seines Hauptmanns zu erzählen anfangen, da bog sein Pferd zum zweitenmal plötzlich rechts von der Landstraße ab und raste im Galopp eine gute Viertelmeile weit quer über eine weite Ebene davon, bis es schließ lieh unversehens unter einem Galgen stehenblieb! . . . Unter einem Galgen! Wahrlich, ein sonderbares Verhalten eines Pferdes, wenn es seinen Reiter unter den Galgen trägt!... Was soll das bedeuten? fragte sich Jakob. Ist das am Ende gar ein Wink des Schicksals?

Der Herr: »Guter Freund, zweifle nicht länger daran. Dein Pferd hat göttliche Eingebungen, und das Ärgerliche dabei ist, daß alle diese Voraussagen, Eingebungen und Fingerzeige von oben durch Träume und Erscheinungen gar nichts nütze sind. Was geschehen muß, tritt deswegen nicht weniger ein. Lieber Freund, ich rate dir, bring dein Gewissen ins reine, ordne deine Angelegenheiten und erzähle mir, so schnell du kannst, die Geschichte deines Hauptmanns und deine eigene Liebesgeschichte zu Ende, denn es täte mir wirklich leid, wenn ich dich verlieren müßte, ohne sie vorher gehört zu haben. Wolltest du dir darüber auch noch mehr Sorgen machen, als du's schon tust, was hülfe es dir? Nichts. Der Ratschluß deines Schicksals, der dir nun schon zweimal durch deinen Gaul kundgetan worden ist, wird sich erfüllen. Sieh zu, hast du keinem Menschen mehr etwas zurückzuerstatten? Vertraue mir deinen Letzten Willen an und verlaß dich drauf, daß ich ihn getreulich ausführen werde. Wenn du mir je etwas genommen hast, so schenke ich dir's. Bitte nur Gott dafür um Verzeihung, und während der mehr oder weniger langen Zeitspanne, die wir noch mit­einander zu leben haben, bestiehl mich nicht mehr.«

Jakob: »So gründlich ich auch mein vergangenes Leben durchforsche, ich finde nichts, was ich mit der menschlichen Gerechtigkeit auszumachen hätte. Ich habe nie getötet, nie gestohlen und auch nie genotzüchtigt.«

Der Herr: »Um so schlimmer. Alles in allem habe ich's lieber, wenn das Verbrechen bereits begangen ist, als wenn es erst noch vollbracht werden muß. Und das hat seine gutenGründe.«

Jakob: »Aber, Heber Herr, vielleicht -werde ich gar nicht für etwas gehenkt, das ich verbrochen habe, sondern für et­was, das ein anderer gesündigt hat.«

Der Herr: »Schon möglich.«

Jakob: »Vielleicht werde ich überhaupt erst nach mei­nem Tode gehängt.«

Der Herr: »Auch das kann sein.«

Jakob: »Und vielleicht werde ich überhaupt nicht gehängt.«

Der Herr: »Das möchte ich bezweifeln.«

Jakob: »Es steht vielleicht im Himmel geschrieben, ich werde nur zugegen sein, wenn ein anderer aufgeknüpft wird. Und wer weiß, wer dieser andere ist, ob er nahe ist oder noch fern weilt.«

Der Herr: »Mein Herr Jakob, laß dich hängen, weil es das Schicksal so will und dein Pferd es so sagt. Aber werde mir nicht frech! Hör auf mit deinen unverschämten Mut­maßungen und erzähle mir geschwind die Geschichte deines Hauptmanns.«

Jakob: »Herr, werdet doch nicht gleich böse. Man hat schon recht ehrliche und anständige Menschen aufgeknüpft. Das ist dann ein Mißverständnis der Justiz.«

Der Herr: »Derlei Mißverständnisse sind betrüblich. Reden wir lieber von etwas anderm.«   - (jak)

 

Wink Schicksal

 

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