immern
Der Ibolithe hatte keinesfalls jenes sentimentale Verhältnis
zum Tier, wie es heute weitverbreitet ist. Niemals würde er eine Gedichtzeile
auf ein Tier um des Tieres willen verschwendet haben. Wenn trotzdem Schaf und
Kuh mit ihrem typischen Lock- und Kennruf in dieses Gedicht eingeführt werden,
so ist hier etwas anderes gemeint. Schon »Wimmern« (súti) zeigt uns die
einzig mögliche Richtung der Interpretation an.
Bekanntlich stimmt die ibolithische Religion in manchen Punkten mit dem Glauben der Mormonen überein. Schaf und Kuh sind ungeborene Geister, ungeborene Menschen, die darauf warten, als Menschen ins Leben hinein erlöst zu werden. Daher also das gruselige Wimmern! Die mondbeglänzte Wiese ist der traditionelle Ort, wo diese Ungeborenen versammelt sind, ähnlich wie im deutschen Sprachgebiet der Froschteich, aus dem die Kindchen vom Storch geholt werden. Letztere Funktion fällt in der ibolithischen Mythe den Raben zu, die mit den Störchen das steife, würdige Gehabe gemeinsam haben.
Die Behauptung à la Morgenstern, daß die Raben blasser als die Wiese
ausgesehen hätten, darf als dichterische Metapher angesehen werden. Möglicherweise
ist jedoch von weis(s)en Raben die Rede, dann würde der Vergleich mit der Wiese
zutreffen. In diesem Fall hätte sich im Bild des weißen Raben der Dichter selbst
verewigt. Das Seufzen des Raben ist dann Ausdruck seines bekümmerten Nachdenkens
über die Folgen der allzu pedantisch durchgeführten ibolithischen Geburtenregelung,
die ja leider zum völligen Aussterben dieses Volkes geführt hat. - Heinz Gültig,
nach (
was
)
Wimmern (2) Als er die Hand auf
sie legte, begann sie zu wimmern. »Nein, nicht«, flüsterte sie, »er hat gesagt,
ich kann jetzt noch nicht, er hat...« Er riß die Decken zurück und warf sie
beiseite. Sie lag ganz reglos, die Handflächen erhoben, und ihr Fleisch unter
der Hülle ihrer Lenden wich weiter zurück, schneller, in wilder Auflösung, wie
ein geängstigter Mensch in einer Menge. Als seine Hand wieder auf sie zukam,
dachte sie, er wolle sie schlagen. Sie starrte ihm ins Gesicht,
und da sah sie, wie es zu zucken begann und sich zu
verzerren, wie das eines Kindes, das kurz davor steht, in Tränen auszubrechen,
und hörte, wie ihm ein wimmernder Laut entkam. Er griff nach ihrem Nachthemd.
Sie packte seine Handgelenke und fing an, sich von einer Seite auf die andere
zu werfen, und öffnete den Mund, um zu schreien. Seine Hand legte sich hastig
auf ihren Mund, und sie packte sie am Gelenk, während ihr Speichel zwischen
seine Finger drang, und ihr Körper schlug hin und her und wand sich wild von
einem Schenkel auf den anderen, und sie sah ihn neben dem Bett kauern, das kinnlose
Gesicht qualvoll verzerrt, die bläulichen Lippen vorgestülpt, als bliese er
auf eine heiße Suppe, und einen hohen, wiehernden Laut ausstoßen, wie ein Pferd.
- William Faulkner, Die Freistatt. Zürich 1981 (detebe Klassiker
20 802, zuerst 1931)
Wimmern (3) Big Whimper Das 'Große Wimmern' ist das Szenario vom kalten Ende des Universums. Es kühlt langsam aus, weil es ewig expandiert. Physikalisch gesehen liegt das daran, weil der Energieinhalt zu klein ist, als dass die (beobachtete) Expansion gestoppt oder gar wieder umgekehrt werden könnte. Am Ende dieses Szenarios steht ein trostloses Universum, angefüllt mit Schwarzen Zwergen, Schwarzen Löchern, Kälte und Dunkelheit.
Dramatischer als dieser Kältetod ist der Zerreißtod im Big
Rip. Der Hitzetod im Big Crunch lässt auch kaum Überlebenschancen, so dass
in jedem Fall ein 'Großes Jammern' angesagt zu sein scheint. -
wissenschaft-online.de
Wimmern (4)
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