ildkatze
Die Zeit der Paarung der Wildkatze fältt in
den Februar, der Wurf in den April; die Tragezeit währt 9 Wochen. In Gegenden,
welche das Raubtier noch verhältnismäßig zahlreich bewohnt, soll, laut Winkell.
der Lärm, den den die sich paarenden Katzen verursachen,
und welcher durch den ewigen Zank der Kater noch vermehrt
wird, ebenso unausstehlich sein wie bei den zahmen Katzen in Dörfern und Städten.
"In den schottischen Hochlanden", sagt St. John, wird
sie allmählich ausgerottet. Früher habe ich ihren wilden eigenartigen Schrei
oft gehört, wenn sie in stillen Nchten sich riefen und antworteten. Ich kenne
keinen Ruf, der so harsch und spukhaft klänge wie der der Wildkatze, oder besser
geeignet wäre, abergläubische Furcht im Gemüte des einfältigen Hochländers zu
erwecken. Einige Male bin ich Wildkatzen in Wäldern und an steinigen Halden
begegnet; einst überraschte ich eine ganze Familie von zwei alten und drei halbwüchsigen
jungen im Gefelse." Es scheint erwiesen, daß auch Wild- und Hauskatzen
sich paaren, obgleich beide nicht eben freundschaftlich sich gegeneinander zu
benehmen pflegen. Freilich ändert heftige Brunst auch in diesem
Falle früher
gehegte Gesinnungen. -
Brehms
Tierleben
Wildkatze (2) Ich las eine Zeitungsnotiz, die von der Ankunft einer toten Wildkatze in New York berichtete. Das Tier verweste in einer unzustellbaren geschlossenen Kiste vor sich hin. Das Postpaket war in Brownsville, Texas, aufgegeben worden, von einem Mr. Snake King, und war an einen Mr. Charles King adressiert. Ein erster aufs Geratewohl durchgeführter, aber wie sich herausstellte von der richtigen Eingebung geleiteter, Telefonanruf bei der Expreßgutabteilung der Eisenbahn ergab, daß jeden Monat um die dreißig Sendungen mit erschreckend lebendigen Wildkatzen von den Chinesen in der Stadt abgeholt werden. Ein zweiter Anruf bei Mr. Thomas Gee, der eine wahre Pandorabüchse von einem Laden im Kellergeschoß in der 76 Mott Street betreibt, ergab, daß Wildkatzen eine geheime chinesische Delikatesse sind und 30 Dollar pro Stück kosten. Täglich kämen Sendungen mit Wildkatzen an. Die Tiere würden getötet, indem man ein Loch in die Kiste bohrt und sie mit einer Schlinge aus den Saiten eines Klaviers garrottiert.
Die Wildkatzen, sagte Mr. Gee, werden normalerweise in Whisky zubereitet.
Mehr wollte er nicht sagen. Seine orientalische Zurückhaltung zwang mich zu einem weiteren Telefonat — mit Dr. Leister vom Bronx Zoo. Dr. Leister sprach vorsichtig von einem Magenstein, einem kalkigen Gewächs, das manchmal in den Blasen von Wiederkäuern zu finden ist und heilende und magische Kräfte besitzen soll. Mr. Raven vom Amerikanischen Museum für Naturgeschichte, den ich als nächsten konsultierte, hatte noch nie irgendwelche Magensteine bei Wildkatzen entdeckt, wollte die Theorie Dr. Leisters aber auch nicht ganz von der Hand weisen.
Da des Weißen Mannes Wissenschaft hier versagte, wandte ich mich an den chinesischen Generalkonsul. Er äußerte sich höflich und sehr vage über das Thema Wildkatzen und Magensteine, wirkte jedoch ein wenig nervös, als ich mit meinen Fragen insistierte. Mit Mr. Yang vom chinesischen Wohl-fahrtsverein in der Mott Street Nr. 16 führte ich meine Untersuchung fort. Mr. Yang war höflich, aber unverbindlich. Er fand das ganze Thema wohl eher zum Scherzen und versicherte mir, in Chinatown gäbe es keine Wildkatzen. Aber schließlich führte die Spur zu James Lee, dem Manager von Lum Fongs exzellenten Restaurants in der Canal Street, Ecke West 52. Straße. Mr. Lee ist ein eleganter junger chinesischer Gentleman. Bei meinen Fragen lächelte er, und dann lüftete er das Geheimnis, das seine Landsleute so verbissen hüteten.
Nicht der magische Magenstein, der vielleicht oder vielleicht auch nicht
nach Art der Perlen im Innern der Wildkatze verborgen liegt, ist der Grund,
warum immer mehr Exemplare dieses furchterregenden Tiers nach New York importiert
werden. Es geht um das Tier selbst. Angerichtet mit Entenfilets und Pilzen und
mit einer reichhaltigen Whiskysoße ist das Fleisch der Wildkatze das unfehlbarste
Aphrodisiakum, das die Wissenschaft kennt. Schon beim ersten Bissen regt es
den Blutdruck an und erhöht die Aktivität der Schilddrüsen. Das Haar bekommt
einen öligen Schimmer. Die Stimme wird tiefer. Und selbst das geschwächteste
Opfer erhält seine Manneskraft zurück. Eine Beilage
aus Pflanzenfaser, die »chow« heißt und von der kultivierten Ginsengwurzel stammt,
macht die Mahlzeit wirkungsvoller als aller Hokuspokus von Freud
und seinen Schülern. -
Ben Hecht, 1001 Nachmittage in New York. Frankfurt am Main 1992 (it 1323, mit Zeichnungen
von george Grosz,zuerst 1941)
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