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Berlin. 15. Juli 1929. Montag In
der ›BZ‹ heute mittag Nachricht, daß sich Hofmannsthals ältester Sohn
Franz erschossen hat. An Hugo um halb drei telegraphiert. Abends Stroheims Film
aus dem Vorkriegs-Wien ›Der Hochzeitsmarsch‹ gesehen. Eine geniale Schöpfung,
mit der Bosheit eines George Grosz die Hohlheit des
Glanzes Alt-Wiens und des Wiener süßen Kitsches (nebenbei auch des Hollywooder)
aufgezeigt: alles dessen, was Hofmannsthal immer geblendet und gefangengehalten
hat. Das gerade Gegenstück zu Hofmannsthal. - Harry Graf Kessler,
Tagebücher 1918 bis 1937. Hg. Wolfgang Pfeiffer-Belli. Frankfurt am Main 1982
(it 659)
Wien(2)
Wie schön wäre Wien ohne Wiener, so schön wie e schlafende
Frau. Der Stadtpark wär sicher viel grüner und die Donau war
endlich so blau. Wie schön wäre Wien ohne Wiener, ein Gewinn
für den Fremdenverkehr. Die Autos ständen stumm, des Riesenrad
fallet um, und die lauschigen Gasserln wären leer. In
Grinzing endlich Ruh und 's Burgtheater zu.