iederaufnahme
Wir waren gerade dabei, unsere nächtliche Irrfahrt anzutreten, er wieder proper
angezogen und aufrecht hinten im Kabrio, sie neben
mir auf dem Beifahrersitz, einen Arm nach hinten gestreckt, um ihn aufrecht
zu halten, und ich wollte grad den Motor anlassen, da schwingt sie plötzlich
das linke Bein über den Schalthebet und legt es mir auf mein rechtes. »Bernadette!«
ruf ich erschrocken. »Was machst du da? Meinst du, das war der Moment?« Und
sie erklärt mir, vorhin, als ich ins Zimmer geplatzt war, hätte ich sie in einem
Moment unterbrochen, in dem man sie nicht unterbrechen dürfe; egal mit wem von
uns beiden, aber sie müsse genau an dem Punkt jetzt weitermachen und bis ans
Ende gehen. Dabei hält sie mit einer Hand weiter den Toten fest und macht mit
der anderen meine Knöpfe auf, wir alle drei zusammengepfercht in dem winzigen
Auto, auf einem Parkplatz im Faubourg Saint-Antoine. Die Beine gespreizt, in
schlangenhaften Verrenkungen - in harmonischen, muß ich sagen -, pflanzt sie
sich rittlings auf meine Knie und erstickt mich fast in ihrem Busen wie in einer
Lawine. Derweil kippt Jojo vornüber und fallt auf uns drauf, aber sie schiebt
ihn achtsam beiseite, ihr Gesicht nur wenige Zentimeter vor dem Gesicht des
Toten, der sie anglotzt mit dem Weiß seiner aufgerissenen Augen. Ich meinerseits,
von dem Überfall so aus der Fassung gebracht, daß meine physischen Reaktionen
sich selbständig machen und offenbar lieber ihr gehorchen als meinem verstörten
Geist, wobei ich mich nicht einmal zu bewegen brauche, weil sie auch dafür sorgt
- na ja, also ich meinerseits begreife in diesem Moment: Was wir da machen,
ist eine Zeremonie, der sie eine spezielle Bedeutung gibt, da unter den Augen
des Toten, und ich fühle, wie sich der weiche zähe unnachgiebige Schraubstock
schließt, und kann ihm nicht mehr entkommen.
- Italo Calvino, Wenn ein Reisender
in einer Winternacht. München 2007 (Zuerst 1979)
![]() |
||
![]() |
![]() |
|
|
||
|
||
|
|