ie
Bitte
beachten Sie, wie oft in einem Gedicht „wie" vorkommt. Wie, oder wie wenn,
oder es ist, als ob, das sind Hilfskonstruktionen, meistens Leerlauf. Mein Lied
rollt wie Sonnengold - Die Sonne liegt auf dem Kupferdach wie Bronzegeschmeid
-Mein Lied zittert wie gebändigte Flut - Wie eine Blume in stiller Nacht - Bleich
wie Seide - Die Liebe blüht wie eine Lilie -. Dies Wie ist immer ein Bruch in
der Vision, es holt heran, es vergleicht, es
ist keine primäre Setzung. Aber auch hier muß ich einfügen, es gibt großartige
Gedichte mit WIE. Rilke war ein großer WIE-Dichter. In einem seiner schönsten
Gedichte „Archaischer Torso Apollos" steht in vier Strophen dreimal WIE,
und zwar sogar recht banale „Wies": wie ein Kandelaber, wie Raubtierfelle,
wie ein Stern - und in seinem Gedicht „Blaue Hortensie" finden wir in vier
Strophen viermal WIE: Darunter: wie in einer Kinderschürze - wie in alten blauen
Briefpapieren - nun gut, Rilke konnte das, aber als Grundsatz können Sie sich
daran halten, daß ein WIE immer ein Einbruch des Erzählerischen, Feuilletonistischen
in die Lyrik ist, ein Nachlassen der sprachlichen Spannung, eine Schwäche der
schöpferischen Transformatton. - Gottfried Benn,
Probleme der Lyrik (1951), in: G.B., Essays, Reden, Vorträge. Wiesbaden 1965
Wie (2) Die Existenz
ist eine Verurteilung ohne Berufungsmöglichkeit und ohne die des Loskaufs; nichts
läßt sich dagegen machen; und es ist vielleicht nur unsere Hoffnung, unser Bedürfnis,
Atem zu schöpfen wie nach dem akuten Schmerz einer Verletzung, die uns einen
anderen Zustand als die Existenz hat vermuten lassen, ein Nichts. Vielleicht,
mein Gott, existiert alles, hat existiert, wird existieren in Ewigkeit. Gegen
das Leben kann man nichts tun als leben, ungefähr so, wie man in einem geschlossenen
Raum, in dem man vor Tabakrauch erstickt, nichts Besseres tun kann als rauchen.
Die Lösung des Erhabenen überzeugt mich nicht, in dem Sinn (damit wir uns recht
verstehen), als sie mir nicht praktikabel erscheint: Für etwas, das man tötet,
das man mit weiß Gott welcher Mühe in sich abtötet, wächst mindestens ein anderes
nach, so wie es auch nicht gelingt, das verfluchte Menschengeschlecht durch
Kriege, Pestilenzen und andere Geißeln auszulöschen. Er, der Göttliche, hat
sicher an sich selbst die Wirkungslosigkeit der eigenen Methode erfahren müssen:
Je weiter sich seine Intelligenz von der Welt entfernte, desto mehr verfeinerten
sich seine Sinne, und die Folgen kann man sich leicht vorstellen . . . Oder
vielleicht auch nicht, seine Kraft, sein Vertrauen, seine Reinheit waren so
groß, daß er nicht litt (man könnte es tatsächlich als ein Heiligenleben begreifen,
aber ich verstehe darunter nicht das Leben der Heiligen, das zweifelsohne etwas
ganz anderes war); aber diese Eigenschaften und selbst die Reinheit bedeuten
bereits zu leben, sind Leben. Also leben: ja, aber wie, unter welchem Anspruch,
in wessen Namen? Aber lassen wir ruhig Anspruch und Namen beiseite; bleiben
wir beim Wie, bei einem, wage ich fast zu sagen, materiellen Wie, unter Verzicht
auf alles übrige. Ja, wenn sich mir nur einmal, in einem halben Jahrhundert,
ein Weg, eine Art und Weise zu leben, aufgetan hätte! Leben
heißt, sich selbst zum Ausdruck zu bringen? Jawohl, würde z.B. mein momentaner
Freund und Feind Puschkin antworten (. . . der alles tat, außer sich
selbst zum Ausdruck zu bringen), ja, das ist es, und es kann nichts anderes
sein als das. Aber es gibt eine Unannehmlichkeit, denn man merkt sehr bald,
daß die Operation aus Mangel an Rohstoff nicht stattfinden kann, d. h. man merkt,
daß man sich nicht selbst zum Ausdruck bringt, denn dieses Selbst wird sich
jeder erst mit großem Energieaufwand fabrizieren müssen und dazu noch mit dem
deutlichen Gefühl für die Leerheit und Künstlichkeit einer solchen Anstrengung.
Deshalb zieht man sich darauf zurück (und auch P. hat sich zurückgezogen), den
anderen Ausdruck zu verleihen, auf die verrufene Objektivierung von was weiß
ich, und ich weiß nicht, was sonst in diesen verkürzten Formeln steckt: eine
Operation, ach je, noch illusorischer als die erste und illusorisch wie alle
anderen, aus dem zweifachen Grund, weil es nichts zu objektivieren gibt und
auch nichts, auf dessen Grundlage man objektivieren könnte, und zum zweiten,
wenn man das eigene Selbst nicht zum Ausdruck bringt, wie könnte man, ich weiß
nicht, wie ich sagen soll, das andere Selbst zum Ausdruck bringen? Und gibt
es jemanden, der ernsthaft in der christlichen Lösung der Liebe etwas anderes
als einen, manchmal sogar anmaßenden, Zeitvertreib sehen kann? Aber ertrinkt
nicht gerade in diesem Meer das Sein selbst, was zufallig dem oben Behaupteten
widerspricht? Nicht wirklich: Die Existenz ereignet sich, dauert, und sie ist
die einzige Realität, aber blind, gestaltlos, keine Materie des Verstands oder
Ausdrucks, völlig unempfänglich gegen diese Art des Zugriffs und allgemein gegen
jede Ordnung, kurz nicht so, daß sie von irgend jemandem zum Ausdruck gebracht
werden könnte. Und die eigene und allgemeine Verwirrung, kann man die wenigstens
zum Ausdruck bringen? Und ob: Es genügt, so zu tun, als wäre die Verwirrung
nicht ein Nichts, ein Hauch des Intellekts, sondern statt dessen ... -
(land3)
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