Wettrüsten  Es gibt drei Möglichkeiten, wie Tiere ihren Körper vor Parasiten schützen können. Zum Beispiel können sie, wenn sie rasch genug wachsen und sich fortpflanzen, die Parasiten »hinter sich lassen«. Pflanzenzüchtern ist das wohlbekannt: Die Spitze des wachsenden Sprosses, in welche die Pflanze all ihre Kraft legt, ist in der Regel parasitenfrei. Eine bemerkenswerte Theorie vertritt sogar die Ansicht, Spermien seien deshalb so klein, damit sie keine Bakterien mit sich tragen könnten, um Eizellen zu infizieren. Eine menschliche Eizelle teilt sich unmittelbar nach der Befruchtung mit unerhörter Geschwindigkeit, möglicherweise tatsächlich, um Viren und Bakterien in einem der entstehenden Kompartimente zurückzulassen.

Die zweite Verteidigungsmöglichkeit ist die Sexualität; mehr davon später. Die dritte ist ein Immunsystem, sie aber wird erst von Reptilien an aufwärts eingesetzt. Pflanzen und viele Insekten und Amphibien verfügen über eine weitere Methode, die chemische Verteidigung: Sie produzieren Substanzen, die für ihre Plagegeister giftig sind. Manche Angreifer entwickeln daraufhin Möglichkeiten, diese Gifte abzubauen und so weiter - das Wettrüsten hat begonnen.

Antibiotika sind chemische Verbindungen, die von Pilzen produziert werden, und zwar als natürliche Verteidigung gegen deren Rivalen, das heißt gegen Bakterien. Als der Mensch begann, Antibiotika einzusetzen, stellte er fest, daß die Bakterien mit ernüchternder Geschwindigkeit die Fähigkeit entwickelten, Antibiotika zu widerstehen - resistent zu werden. Bei der Entwicklung von Antibiotika-Resistenzen in krankheitserregenden Bakterien fällt zweierlei auf: Zum einen scheinen die entsprechenden Resistenzgene von einer Art zur nächsten zu springen - aus harmlosen Darmbakterien werden krankmachende Organismen - und dies über eine Form des Gentransfers, die sexuellen Vorgängen sehr ähnlich ist. Zum anderen scheinen viele dieser kleinen Ungeheuer die Resistenzgene bereits auf ihren Chromosomen zu tragen, so daß es nur noch darum geht, den Trick zum »Anschalten« des Gens neu zu erfinden. Beim Wettrüsten zwischen Bakterien und Pilzen haben viele Bakterien die Fähigkeit erworben, Antibiotika abzuwehren, eine Fähigkeit, von der sie »gedacht» hatten, sie benötigten sie nicht mehr, wenn sie sich im menschlichen Darm befinden.

Da ihre Lebensspanne im Vergleich zu der ihres Wirts so kurz ist, können Evolution und Anpassung bei Parasiten rascher ablaufen. Innerhalb von ungefähr zehn Jahren ändern sich die Gene des AIDS-Virus in einem Ausmaß, das der Änderung des menschlichen Genoms innerhalb von zehn Millionen Jahren entspricht. Für Bakterien sind dreißig Minuten unter Umständen das ganze Leben. Menschen, bei denen eine Generation ewige dreißig Jahre umfaßt, sind - entwicklungsgeschichtlich betrachtet - Schildkröten.  - Matt Ridley, Eros und Evolution. Die Naturgeschichte der Sexualität. München 1996

 

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