?etterfühligkeit  Viele spüren den Witterungsumschwung schon zwei oder drei Tage, bevor er eintritt, und zeigen durch den Grad ihrer jeweiligen Erregung an, ob das Wetter schön oder wechselhaft sein wird. 1871 konnte man in Mailand einen Dieb beobachten, der sich gewöhnlich ruhig verhielt, aber einige Stunden, bevor Wind aufkam, gräßliche Flüche hören ließ.

Und wenn mit dem Wind Regen und Ungewitter verbunden waren, wurden seine Flüche unflätig und obszön, wobei sie einer erstaunlich detailliert abgestuften Skala folgten, aus der man das künftige Wetter bis zu Stürmen und Regengüssen genau ablesen konnte. - (cav)

Wetterfühligkeit (2)  Mein Vater kommt gerade aus dem Klosett. Er steigt langsam die Treppe herauf, er richtet sich die Hosenträger... Er rückt den Verband auf seinen Furunkeln zurecht... Erst sagt er nichts zu mir... Er tut, als sähe er mich nicht... Er setzt sich wieder an seine Maschine... Er schreibt mit einem einzigen Finger... Er schnauft wie ein Seehund, er wischt sich den Schweiß von der Stirn... Man erstickt tatsächlich vor Hitze... Er steht auf... Er nimmt das Frottierhandtuch vom Nagel... Er tut die Birne unter die Wasserleitung... Er hält es nicht mehr aus!... Er kommt zurück!... Er schielt mich ein wenig an... Schief... Er sieht aich meine Mutter an, hingestreckt auf ihrem Bett... «Deck dich doch zu, Clémence!...» sagt er ihr ganz wütend ... Es geht wieder los!... Er macht ihr Zeichen! Er glaubt, ich schaue auf sie, wie sie so aufgeschürzt daliegt... Sie versteht seine Aufregung nicht... Sie ist unschuldig, sie empfindet keine Scham... Er hebt die Arme zum Himmel... Er ist außer sich! Sie ist bis zum Nabel entblößt... Endlich schlägt sie ihren Rock hinunter... Sie wechselt die Stellung... Sie dreht sich auf die andere Seite... Ich möchte etwas sagen, um der Verlegenheit ein Ende zu machen... Ich will über die Hitze reden... Man hört, wie die Katzen sich begatten... Hoch oben auf dem Glasdach... Sie jagen einander ... Sie springen über die Abgründe zwischen den Schornsteinen...

Ein leichter Windstoß dringt zu uns ... Hosianna!... «Jetzt kühlt es sich ab!» ... bemerkt meine Mutter sofort. «Mein Gott! Es ist wirklich nicht zu früh!... Siehst du, Auguste, ich fühl's an meinem Bein, daß es bald regnen wird!... Ich irre mich bestimmt nicht!... Es ist immer der gleiche Schmerz... Ich habe Reißen über dem Hintern... Das ist ein ganz untrügliches Zeichen... Hörst du, Auguste, es gibt bald Regen!...»

«So schweig doch endlich! Laß mich arbeiten! Verdammter Puff! Kannst du denn nie mit deinem Geschwätz aufhören!»

«Aber ich hab doch nicht geredet, Auguste! Es ist bald zwei Uhr! Hör mal, mein Lieber! und wir sind noch nicht zu Bett!»

«Aber das weiß ich ja, Himmelsakra! Aas und Arsch! Ich weiß, daß es zwei Uhr ist! Bin ich daran schuld?... Es wird drei Uhr sein! In Teufels Namen! Und dann vier! Und dann sechsunddreißig! Und dann zwölf! Donnerwetter noch mal!... Diese verdammte Scheiße, daß man mich Tag und Nacht ankotzen muß!... Das geht so nicht weiter!...» Er haut dabei so fest auf die Maschine, daß er beinahe alle Buchstaben, die ganze Tastatur zerschlägt... Er dreht sich um, er ist ganz violett... Jetzt geht er ohne Umschweife auf mich los: «Ah!» schreit er mich mächtig an... Er brüllt so laut er kann, er deklamiert... «Ihr kotzt mich alle an! Versteht ihr mich?... Begriffen! Und du, verdammter Lump! Schamloser Strolch! Wo hast du dich wieder herumgetrieben? Seit acht Uhr morgens? He? Wirst du antworten? So sprich doch! Sprich doch, in Teufels Namen!...»  - (tod)

Wetter Empfindlichkeit
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