esenheiten Elise
lebt in einem Zustand tiefer Schwermut, fast der Verzweiflung, der immer lauernden,
alles aushöhlenden Enttäuschung, und darum ist sie meist abwesend. Ihre gewöhnliche
Gesellschaft sind «Ideen», mit denen nur wenige Leute Umgang haben und mit denen
sie, fast ohne es zu wissen, ganz unbefangen verkehrt. Sie lebt umgeben von
Wesen, die außer ihr niemandem begegnen, und diese körperlose Gesellschaft macht
ihr die der Menschen so überflüssig. Einzig diese Unterhaltungen, in denen sie
mit einer «Wesenheit» begriffen ist, erlauben ihr, das gewöhnliche Volk zu vermeiden.
Oft verbirgt eine Abstraktion ihr ihren Besen, und sie
weiß nicht, daß sie ihr Zimmer schon gemacht hat, weil sie, als sie die Möbel
rückte, gewiß mit einem Engel oder einem Dämon
disputierte und diese Disputation ihr wichtiger war als der Haushalt. Niemals
sieht sie auf den ersten Blick den, der vor sie hintritt, als ihn selber, sondern
als eine Romanfigur, die ihr sein eigentlicheres Wesen auszudrücken scheint,
als d'Artagnan zum Beispiel oder Smerdjakoff, welche die beiden Pole, der eine
ihrer Sympathien, der andere ihrer Neugier, sind. Der Gärtner, der die Beete
anlegt, ist nicht er selbst, sondern Candide. Oder sie empfängt einen, als wäre
man ein Geier, eine Spinne, und man bemüht sich vergebens, anders als unter
diesen abstoßenden Gestalten in ihrer Gegenwart geduldet zu werden. - Marcel Jouhandeau, Elise. Reinbek bei Hamburg
1968 (zuerst 1933 ff.)
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