Wesen, dünne   »Für mich ist das gar nicht so seltsam,« sagte die Stimme des Mannes vom Neptun, und dabei klang ein heiseres Lachen, »ich habe mich schon mit den Bewohnern andrer Sterne sehr oft unterhalten. Ich lebe schon recht lange. Und dabei ist mein Körper so dünn wie ein Spinngewebefaden. Glauben Sie das? Oh — glauben Sie das nicht. Wäre der so dick, so wäre ich Ihnen längst sichtbar. Aber mein Körper ist Trillionen Mal dünner. Sie wissen ja, wie alle gebildeten Menschen, daß jedes noch so kleine Stück Materie immer noch teilbar ist und immer wieder teilbar ist - daß jeder Teil bis ins Unendliche hinein immer von neuem teilbar ist. Darum ist meine Behauptung, daß ich Trillionen Mal dünner bin als ein Spinngewebefaden, nicht etwas Ungeheuerliches. Es gibt noch viel dünnere Wesen. Daß Sie so was Dünnes nicht sehen können, wird Ihnen wohl begreiflich sein. Nun wollen wir uns aber nicht zu lange mit der Vorrede aufhalten. Solche dünnen Wesen können überall durch. Die Materie, die Sie sehen, ist ja gar nicht so dicht. Nur wenige Stoffe, die Sie gar nicht kennen, sind für mich undurchdringlich. Und nun werden Sie es auch verständlich finden und für möglich halten, wenn ich Ihnen erkläre, daß ich zwanzigtausend deutsche Meilen in der Sekunde durchdringen kann. Der Lichtstrahl geht noch mal so schnell - so schnell kann ich nicht. Aber es ist ja wohl genug. Flügel und lenkbare Flugapparate brauche ich nicht, ich kann meinen Körper im achten Teil einer Sekunde tausend Meter lang machen. Und dann schieß ich einfach wie der Blitz dahin. Allerdings der geht auch noch mal so schnell.«  - Paul Scheerbart, Professor Kienbeins Abenteuer. In: Phantastische Zeiten. Hg. Franz Rottensteiner. Frankfurt am Main 1986 (Phantastische Bibliothek 185)
 
 

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