eltraumstrahlung
Es würde guttun, ins Bett zu steigen und alles zu vergessen, was ihnen
widerfahren war, der plötzliche Strahlungsdruck, das schmerzhafte
Erwachen, die nagende Furcht. Eller wusch sich das Gesicht. Gott, wie
ihm der Kopf brummte. Mechanisch spülte er Wasser über die Arme.
Erst als er mit Waschen fast fertig war, bemerkte er es. Er stand lange
einfach so da und sah sprachlos auf seine Hände, über die das Wasser
lief.
Seine Fingernägel waren verschwunden.
Er schaute in den Spiegel, sein Atem ging schnell.
Plötzlich griff er nach seinem Haar. Ein, zwei Handvoll lösten sich,
große Büschel hellbraunen Haars. Haare und Fingernägel -
Ihn schauderte. Er versuchte, die Ruhe zu bewahren.
Haare und Fingernägel. Strahlung. Natürlich: Strahlung bewirkte das,
vernichtete Haare und Fingernägel. Er betrachtete seine Hände.
Die Fingernägel waren tatsächlich völlig verschwunden.
Keine Spuren waren zurückgeblieben. Er drehte die Hände herum; und
wieder herum; untersuchte seine Finger. Die Spitzen waren glatt und
konisch. Er kämpfte gegen das aufsteigende Panikgefühl an und trat
unsicher vom Spiegel zurück.
Ein jäher Gedanke kam ihm. War er der einzige? Was war mit Silvia?
Er zog sich die Jacke wieder an. Ohne Nägel waren seine
Finger eigentümlich feinnervig und agil. Was mochte noch passieren? Er
mußte die anderen vorbereiten. Wieder sah er in den Spiegel.
Ihm wurde übel.
Sein Kopf- Was geschah da? Er preßte die Hände gegen die Schläfen. Sein Kopf.
Irgend etwas stimmte nicht, stimmte ganz und gar nicht. Er starrte sich
mit aufgerissenen Augen an. Er war jetzt fast völlig kahl, während
seine Schultern und die Jacke mit ausgefallenem braunem Haar bedeckt
waren. Sein kahler Schädel glänzte, glänzte in leuchtendem Rosa. Aber
das war noch nicht alles.
Sein Kopf hatte sich gedehnt. Er schwoll an zu voller Kugelform. Und seine Ohren schrumpften, seine Ohren und seine Nase. Er konnte sehen, wie seine Nasenflügel dünn und durchsichtig wurden. Er veränderte sich, mutierte, immer rascher.
Mit zitternder Hand faßte er sich in den Mund. Die Zähne
saßen locker im Zahnfleisch. Er zog. Die Zähne losten sich mühelos
heraus.
Was geschah da? War er am Sterben? War er der einzige? Was war mit den anderen?
Eller drehte sich um und eilte hinaus. Rauh und mühsam
ging sein Atem. Seine Brust war wie eingeschnürt, seine Rippen
quetschten die Luft aus ihm heraus. Sein Herz schlug angestrengt und
unregelmäßig. Und seine Beine waren schwach. Er blieb stehen, hielt sich
an der Tür fest. Als er den Lift betreten wollte, hörte er plötzlich
ein tiefes, unmenschliches Brüllen. Das war Blake, der entsetzt und
gequält aufschrie.
»Da haben wir die Antwort«, dachte Eller grimmig,
während sich der Lift in Bewegung setzte. »Wenigstens bin ich nicht der
einzige!«
- Philip K. Dick, Die Unendlichen. In: P.K.D., Und jenseits - das Wobb. Sämtliche Erzählungen Band 1. Zürich 1998
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