Schon eine vergoldete Sonne, die auf einem Zapfen ruht, ist etwas Abscheuliches,
und die Schwere durch Stangen zu repräsentieren, an die man die Planeten spießt,
hat viel Ähnlichkeit mit dem Einfall des Bauren (?) beim Shakespeare
in einem Stück Pyramus und Thisbe betitelt den Mondschein vorzustellen
(nämlich durch seine Person). Wenn die großen Herrn, die doch nur allein dergleichen
Possen bezahlen können, so etwas sehen wollen, so können sie ja auf einem freien
Platz die Sache durch ihre Hofleute und Hoflakaien darstellen lassen, und die
Rolle der Sonne selbst spielen. - (
licht
)
Weltmaschine
(2)
Was bedeutet dieses
große Gepränge immer wiederholter Zeugungen, dieser
fast verschwenderische Aufwand, wenn gegen tausend Keime, die verunglücken,
kaum einer fortkommt und seine ganze Bestimmung erfüllt? Wozu diese Fortpflanzung
und Vervielfältigung der Wesen, die sich doch unaufhörlich
zerstören und wieder erneuern, die immer nur einerlei Schauspiel machen
und die Natur weder mehr noch weniger bevölkern? Woher kommen diese Abwechselungen
von Tod und Leben, diese Gesetze des Wachstums und Ersterbens, alle diese
Veränderungen in einzelnen Dingen? Woher alle diese erneuerten Vorstellungen
von einer und derselben Sache? Ich antworte: Alles dieses gehört mit zum Wesen
der Natur und hängt von der ersten Einrichtung der Weltmaschine ab. Das Ganze
dieser Maschine ist fest, alle ihre Teile sind beweglich. Die allgemeinen Bewegungen
der Himmelskörper sind die Ursachen von den besondern Bewegungen der Erdkugel.
Die durchdringenden Kräfte, welche diese großen Körper beleben, wodurch sie
auf entfernte Gegenstände und wechselweise aufeinander wirken, beleben auch
jedes Atom der Materie; und diese gegenseitige Zuneigung
aller Teile untereinander ist das erste Band der Wesen, der Grund vom Bestand
der Dinge und die Stütze der Harmonie im Weltall. Die großen Verbindungen haben
alle kleinere, untergeordnete Verhältnisse hervorgebracht. Die Umdrehung der
Erde um ihre Achse verursacht die Abteilung der Zeiträume in Tage und Nächte.
Daher haben alle lebendige Bewohner der Erde ihre gewissen Zeiten des Lichts
und der Finsternis, des Wachens und Schlafens. Ein großer Teil von der Einrichtung
der tierischen Natur, die Wirksamkeit der Sinne und die Bewegung der Gliedmaßen
beruhet auf dieser ersten Verbindung. In einer Welt, die in immerwährende Nacht
verhüllet wäre, öffnet sich schwerlich ein Sinn für das Licht.
- Georg Forster, Ein Blick in das ganze der Natur (entst. ca. 1781). In: G. F., Schriften zu Natur, Kunst, Politik.
Reinbek bei Hamburg 1971 (rk 540)
Weltmaschine
(3) Die Kombination der
gesamten Buchstaben des Alphabets mit Zahlenpermutationen ergibt andere Möglichkeiten
als die nur neun symbolischen Buchstaben des LULLUS: B, C, D, E, F, G,
H, I, K = Bonitas, Magnitudo, Duratio, Potentia, Cognitio, Voluntas, Virtus,
Veritas, Gloria. Bei LULLUS sind dies die ‹principia absoluta›. Dazu
kommen die ‹principia relativa›: ‹Differentia, Concordantia, Contrarietas,
Principium, Medium, Finis, Majoritas, Aequalitas, Minoritas.› Auf die Kombinatorik
dieser Grundelemente (principia primitiva) können alle Formen des Seienden zurückgeführt
werden. Sie heißen deswegen ‹Absoluta›. Das wird ergänzt durch die Grund-‹Regeln›
einer uralten stilistischen Kompositionslehre: An, Quid, Cur, Quantum, Qui,
Quale, Ubi, Quando, Quibuscum, bekannt aus dem Sekunda-Unterricht. Für die
Kunst gibt es entsprechend — in KIRCHERS kombinatorischem Weltsystem
— ‹Symbole›: Deus, Angelus, Coelum, Elementa, Homo, Animalia, Plantae, Mineralia,
Materialia. Das Prinzip lautet: Nichts gibt es im Sein,
was nicht auf ein anderes zurückgeführt werden kann. Eine einzige Tafel, eine
‹Tabula Alphabetorum Artis nostrae›, wie KIRCHER seine Aufstellung nennt,
kann also eine alphabetische Ur-Ontologie enthalten, sozusagen die ontologische
Struktur eines Ur- und Über-Buches. Aus dieser kann
‹alles Mögliche› durch einfaches ‹commutare›, durch einfache Austauschung (Reversibilität!)
abgeleitet werden. - Gustav René
Hocke, Manierismus in der Literatur. Sprach-Alchimie und esoterische Kombinationskunst.
Reinbek bei Hamburg 1969 (rde 82/83, zuerst 1959)
Weltmaschine
(4)
Die Maschine ist ca. vier Meter lang, zwei Meter breit und vier Meter hoch.
Etwa 2000 verschiedenste Bestandteile sind zu einem bebenden, schwingenden,
drehenden, dröhnenden, leuchtenden und blinkenden Gerät verbaut, das durch 25
Elektromotoren zum Leben erweckt wird. Die Maschine besteht neben Spulen, Schläuchen
und Drähten aus so unterschiedlichen Teilen wie einem Adler aus Porzellan, einem
Orgelgebläse, einer Infrarotlampe, drei Blaulichtern, 64 Vogelpfeifen, 200 Glühbirnen,
14 Glocken, einer Sauerstoffflasche als Antrieb für die windgetriebenen Teile,
einem Klapotetz, einer Spielzeugrakete, die er sich extra aus Japan schicken
ließ und vielem mehr. Durch die permanente Bewegung der Maschinenteile entstehen
Licht- und Geräuscheffekte. Mit dem Tod Gsellmanns verlor die Maschine nicht
nur ihren Schöpfer, sondern auch den einzigen Spezialisten, der ihre Funktionsfähigkeit
aufrechterhalten konnte. - Franz Gsellmann, nach
Wikipedia
Weltmaschine
(5) Es waren einmal zwei
Araukaner, die sich ständig darüber wunderten, daß es im Grunde keine absolute
Stille gibt. Mochte man in der Wüste, auf einem hohen
Berge, ganz allein auf freiem Kamp sein, immer gibt es ein wogendes Geräusch,
von dem die Ahnen behaupteten, es komme von den Bewegungen des Großen im Himmel,
dessen Körper, da ohne Gelenke, so biegsam ist, daß er, ohne sich vom Sitz zu
rühren, die ganze Erde übersehen kann, wozu noch die Befehle kommen, die er
andauernd geben muß, ebenfalls hörbar sind. Eines Tages nun gingen sie über
einen abgeflachten Berg, um zum Tale hinunter zu steigen, als sie ein Getöse
vernahmen, die aufmerksamen Indianer. Es rollte wie wogende See, bald lauter,
bald schwächer, es tickte wie eine Riesenuhr, es klang wie ein unendlich großer
Webstuhl, dessen Schiffchen hin und her schossen, begleitet vom stoßenden Schlag
des Webekammes. Nun sahen sie Feuerbahnen hochsteigen, die sich verloren. Alles
schien sich zu bewegen, zu verschwimmen, bald leuchtete es grell auf, dann wurde
es wieder formlos. In der Gegend von Rupemaika soll es gewesen sein. Es war
ein furchtbares Rauschen in der Luft, ein feindliches
Zischen, ein nie vorher gehörtes Tosen, das an- und
abschwoll, das erschütterte. Noch nie hatte ein menschlicher Fuß die Urwelt
betreten, die sich ihnen nun durch geheime Fügung offenbarte: sie fühlten sich
in eine Kluft gedrängt, von der aus sie das erlebten, was sie schaudernd erzählten.
Das etwas verebbte Gebrüll stieg wiederum an, ließ alles erbeben, rüttelte die
ringsum verbrannte Erde, es heulte und schrie, pfiff und dröhnte.
Nun wußten sie es, die beiden Indianer: es war der ewige Kampf zwischen Wasser und Feuer, der sich hier in der furchtbaren Einsamkeit abspielte, es war die nimmer ruhende Weltenmaschine, von der die Ahnen träumten, die Fabeln erzählten: keines Menschen Auge hatte es je gesehen, kein Ohr gehört, was die Zeitdauer der Welt hier bestimmte. Entsetzliche Feuergarben züngelten in die grausige Schlucht hinein, Dampf drängte sich unten durch, wie auf glühendem Rost standen sie, denn die Felsen glühten allmählich vor dem neuen Anprall der beiden Mächte. Eiligst mußten sie die nur wiegende Kluft verlassen und sahen in der blutrot beschienenen Gegend die grausige Öffnung, aus der das Feuer kam: aus dem Bauche des Berges kam es, ein Feuerberg mußte es sein. Und er schien sich als mächtiger Pillafi daran zu ergötzen, sein Feuer wie eine lange, züngelnde, glühende Zunge herauszustrecken, um sie nach kürzerer oder längerer Zeit zu heben, zu senken, lachend, schmetternd, sie auf die dröhnende Erde zu werfen, einem Ungeheuer gleich, das sich dann schnell wieder zurückzog, irrsinnig brüllend, um gespenstig zu verglühen. Aber nur um gleich darauf zischend den Gegner aufs neue anzufallen, zu verdrängen, zu vernichten auf der uralten Erde, die abgründige, bodenlose Klüfte zeigte, aus der es wogte und dampfte. Wo kam die zweite Macht her?
Plötzlich stockte alles in grauenhafter Stille, doch gleich darauf hatten die Erdschollen keinen Halt mehr, sie stürzten den Berg hinunter, ballten sich, lösten sich, rissen die beiden Mapuches mit, die unerwartet in das Reich des Gegners gelangten - des zornigen Wassers.
So vermochten sie das Rätsel zu lösen, das sie wirr gemacht hatte im tosenden
Kampfe: woher nahm das Wasser die Gewalt, sich mit dem Feuer in solchen Wirbeln
zu messen, im harten Willen aufzuspringen, um zu kämpfen, um als heißer Hauch
abzuflauen, immer, ewig, bis zum Vergehen der Welt? Sie sahen es, aber ihre
Herzen erbebten: zwei unendlich große Felsenblöcke, die in ständigem Aufruhr
sich befanden, bewegten sich in entgegengesetzter Richtung, zerrieben die Wasser,
machten sie zu aufbäumender Gischt, zu Schaum, der bis zu den Wolken stieg unter
der pressenden Gewalt, um sich dann schnell auf das lockende Feuer zu werfen,
während die Steine der Urwelt sich plötzlich drehten, stiegen, die Wasserwirbel
zwischen sich nahmen und ihnen eine solche Macht gaben, daß das Feuer vor der
Wucht sich zurückziehen mußte: der Berg mußte zeitweilig seine lechzende Zunge
an sich reißen! Doch nur, um gleich wieder mit allergrößter Wut eine andere
den stäubenden Wasserbergen zuzuschleudern, den himmelhohen Säulen, unter Heulen
und Zischen sie zu verschlingen. - (
arauk
)
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