Welten, kleine    »Bei mir hat sie einmal eine Perücke aus Rohseide bestellt«, sagte eine andere Frau. »Was für ein Zeug ist das denn?«

»Das weißt du nicht? Kein Haar, sondern Seide.«

»Eine Rebbezin soll nie die Haare anderer tragen.«

»Warum nicht?«

»Wenn ein Mann Haare sieht, wird er geil.«

Dröhnendes Gelächter und Gestampfe. Die korpulente Srau schneuzte sich in ihre Schürze, und Schmuel schlug mit der Faust auf den Tisch. »Lacht nicht! Wir leben doch von den Verdiensten dieser Leute.«

Max Barabander konnte sich nicht mehr zurückhalten. Er stand auf, ging zu ihnen hinüber und sagte: »Wie ich höre, sprecht ihr die Muttersprache. Darf ich mich zu euch setzen? Ich bin nicht von hier. Ich bin eben erst aus Übersee gekommen.«

»Amerikaner, was?«

»Argentinien liegt auch in Amerika.«

Sie verstummten, dann sagte Schmuel: »Schieben Sie Ihren Stuhl herüber! Woher kommen Sie? Aus Buenos Aires?«

»Aus Buenos Aires, aus New York, aus Paris - aus der ganzen Welt.«

»Nu, was passiert denn da draußen in der großen Welt?«

»Es ist eine große Welt mit vielen kleinen Welten«, erwiderte Max, ohne so recht zu wissen, wie er fortfahren sollte. »Wenn man in Buenos Aires sagen will, daß man sein Brot verdient, sagt man, daß man in Amerika sein Glück macht. In New York sagt man: >Ich verdiene meinen Lebensunterhalt.< Fragt man in London einen Juden, wie es ihm geht, dann sagt er, es könnte ihm viel besser gehen. Und in Paris vergessen die Juden völlig, daß sie Juden sind. Sie hocken in Cafés herum und bleiben für zehn Centimes von morgens bis abends dort sitzen. Wenn man ihnen etwas erzählt, sagen sie >oh, là là!< und fragen, ob sie dich zu einem >Aperitif< einladen dürfen. Das ist ein Glas Wein. Man kann zehn Glas davon trinken, ohne besoffen zu werden.«   - Issac Bashevis Singer: Max, der Schlawiner. Berlin 2011

Welten

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