eltei Am Anfang war die Nacht — so begann die orphische Geschichte. In unserer Sprache hieß die Nacht Nyx, eine der großten Göttinnen auch für Homer, vor der selbst Zeus eine heilige Furcht empfand. Nach dieser Erzählung war sie ein Vogel mit schwarzen Flügeln. Befruchtet vom Wind legte die Urnacht ihr silbernes Ei in den Riesenschoß der Dunkelheit. Aus dem Ei trat der Sohn des wehenden Windes, ein Gott mit goldenen Flügeln, hervor. Er wird Eros, der Liebesgott, genannt; das ist aber nur ein Name, der lieblichste unter allen Namen, die dieser Gott trug. Die übrigen Namen, die wir noch kennen, klingen sehr gelehrt, aber auch sie drücken nur einzelne Begebenheiten dieser alten Erzählung aus.
Heißt der Gott Protogonos, so will das sagen, daß
dieser Gott der »Erstgeborene« unter allen Göttern war. Heißt er Phanes, so
drückt dieser Name genau das aus, was der aus dem Ei soeben Geborene alsbald
tat: er zeigte und brachte alles ans Licht, was bis dahin im silbernen Ei verborgen
lag. Und das war die ganze Welt. -(
kere
)
Weltei (2) Der Durchmesser des Mondes
beträgt 18 oder 19 Meilen und seine Entfernung zur Erde ungefähr 80. Der Durchmesser
der Sonne ist kleiner als der des Mondes, da dieser sie verfinstert und ihre
Entfernung nur 40 Meilen ungefähr beträgt. Die Entfernung der Erde zum Firmament,
eine feste, durchsichtige Konkretion von blauer Farbe, beträgt annähernd 500
Meilen. Das Firmament bildet die Schale des Universums, denn die Welt ist ein
Ei, dessen Eiweiß die Luft ist und dessen Eigelb die Erdkugel. Die Erde ist
zuerst eine kugelförmige Masse aus fleischigen und belebten Materien gewesen,
aus der alle pflanzlichen und tierischen Gattungen hervorgegangen sind. Ihre
Überreste, ihre Stuhlentleerungen und ihre Leichen haben die erste Sedimentschicht
gebildet. Alle himmlischen Körper kommen von hienieden und bestreiten hieraus
ihren Lebensunterhalt. Infolge der Erbsünde, die die ursprüngliche Ordnung zerstörte,
müssen diese sich jetzt abmühen, um sich ihren Lebensunterhalt zu verschaffen;
von daher Blitze, Donner sowie Ebbe und Flut. - (
lim
)
Weltei (4)
- Tullio Pericoli
Weltei (4) Diese
Welt war zu Anfang nichtseiend; dieses war das Seiende. Dasselbige entstand.
Da entwickelte sich ein Ei. Das lag da, solange wie ein Jahr ist. Darauf spaltete
es sich; die beiden Eierschalen waren die eine von Silber, die andere von Gold.
Die silberne ist diese Erde, die goldene der Himmel dort. Die äußere Eihaut
sind diese Berge, die innere Eihaut sind hier Wolken und Nebel, die Gefäßadern
sind die Flüsse, das Fruchtwasser ist der Ozean. Was aber dabei geboren wurde,
das ist die Sonne dort. - Hinduismus, nach Joseph Campbell: Der
Heros
in tausend Gestalten.
Frankfurt am Main 1978 (st 424, zuerst 1949)
Weltei (5) Am Anfang war das Chaos, eine feuchte Finsternis innerhalb eines riesigen Eis. Im inneren des Eis entstand Pan Gu, der 18.000 Jahre schlief bevor er schließlich erwachte und die Gestalt eines beleibten Mannes annahm, zwar klein von Statur doch mit kräftigen Armen und breiten Schultern. In seinen Händen hielt er Meißel und Axt, mit der er das Ei zerschlug, so dass die Elemente der Schöpfung, die sich im Chaos befanden, aus dem inneren des Eis durch den Raum schweben konnten. Die leichten Teile davon - Yang - stiegen nach oben, während die schweren Teile - Yin - nach unten sanken und die Erde bildeten.
An einer Stelle jedoch waren Himmel und Erde noch miteinander verbunden. Aber mit einem mächtigen Hieb trennte Pan Gu auch diese. So ruhte denn der Himmel auf seinem Haupt und seine Füße standen auf der Erde. Mit jedem weiteren Hieb wanderte der Himmel um einen Zhang (ca. drei Meter) höher und die Erde wurde um einen Zhang dicker. Im gleichen Maße wuchs auch Pan Gu. 18.000 Jahre verharrte Pan Gu auf seinem Platz bis er eine unvorstellbare Größe erreicht hatte.
Als Pan Gu nun sah, dass die Trennung von Himmel und
Erde vollbracht war, legte er sich müde auf die Erde nieder und starb
schließlich. Dabei verwandelte sich sein Körper. Aus seinem Atem
entstand der Wind, seine Stimme verwandelte sich in Donner, sein linkes
Auge in die Sonne und sein rechtes Auge in den Mond. Haupthaar und Bart
wurden zu Sternen und sein Schweiß zu Regen. Aus Händen und Füßen
entstanden die vier Pole der eckigen Erde und aus seinem Körper die Fünf
Heiligen Berge. Es entstanden aus seinem Blut Flüsse und Bäche, aus
seinem Fleisch die Felder, aus seinem Körperhaar Gräser und Bäume. Zähne
und Knochen verwandelten sich in Metalle und Steine und sein Knochenmark
und der Samen wurden zu kostbaren Perlen und Jade.
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China
Weltei (6)
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