Phaeton aber, als der Unselige blickt von des Äthers Höhn
auf die Erde, die tief, so tief da unten gelegen, faßt
ihn das Graun, es zittern in plötzlicher Angst ihm die Knie,
und schwarz vor die Augen tritt durch so viel Licht ihm das Dunkel.
Lieber hätte er schon niemals erlangt seines Vaters Rosse,
erkannt sein Geschlecht, erfüllt seine Bitte gesehn; der gerne
des Merops schon hieß', ihn entführt's wie ein Schiff,
das der Nordwind plötzlich erfaßt, dessen Lenker
das Steuer gelassen, des Fahrzeugs nutzlosen Zügel, den
Göttern es unter Gelübden befehlend. Was soll er tun?
Schon viel des Himmels liegt ihm im Rücken, vor seinen
Augen doch mehr. Er mißt im Geiste nach beiden Enden,
blickt bald voraus nach dem Niedergang, den zu erreichen, nicht
ihm bestimmt, bald blickt er wieder zurück nach dem Aufgang,
weiß sich, verwirrt, keinen Rat; zwar hält er die
Zügel noch fest, doch kann er die Rosse nicht halten, auch
kennt er nicht ihre Namen.
Jetzt erschaut er am Himmel zerstreut voll Schrecken die vielen,
grausigen Wundergebilde von ungeheueren Tieren. Da ist ein
Ort, an dem zu doppeltem Bogen die Zangen wölbt der Skorpion
und mit Schwanz und nach beiden Seiten gereckten Armen den zwiefachen
Raum der anderen Sternbilder einnimmt. Als der Knabe ihn sieht,
wie er triefend von giftigem, schwarzem Schweiß den gekrümmten
Stachel erhebt und Wunden ihm droht, da läßt er in
sinnloser Angst und kaltem ürausen die Zügel. Und
sowie sie am Grat ihres Rückens gleiten sie fühlen, brechen
die Renner aus, durchlaufen, da nichts mehr sie hindert, fremde
Bezirke im Luftreich; dahin, wo ihr Drang sie getrieben, rasen
sie ohne Gesetz, auf Sterne, die hoch in dem Äther haften,
stürmen sie, reißen den Wagen fort von der Straße,
streben bald zur Höh, bald jagen sie abwärts auf steilem
Pfad und geraten so in den Raum, der benachbart der Erde. Wunder
nimmt es den Mond, daß tiefer die Rosse des Bruders rennen
als seine, und, rings entzündet, rauchen die Wolken. Wo
sie am höchsten sich hebt, erfassen die Flammen die Erde, Risse
treibt sie und Spalten und dorrt, ihrer Säfte verlustig. Und
es vergilbt das Gras, versengt wird der Baum mit den Blättern,
Nahrung bietet die trockene Saat ihrem eigenen Schaden. Kleines
beklag' ich — auch große ummauerte Städte verderben,
und es verwandelt die Brunst des Feuers in Asche die ganzen
Länder mitsamt ihrem Volk. Mit den Wäldern brennen
die Berge, brennt der cilicische Taurus, der Athos, der Tmolus,
der Oeta, Ida, trocken jetzt, an Quellen früher so reich,
der Musen Helicon und — noch nicht des Oeagrius — Hæmus,
brennt ins Ungeheure verdoppelten Feuers der Aetna, Eryx,
Cynthus, Parnaß mit den beiden Gipfeln und Othrys, Rhodope,
der da endlich der Schnee sollte fehlen, und Mimas, Dindymon,
Mycale und der den Weihen bestimmte Cithæron. Nichts frommt
Scythien da sein Frost, der Caucasus brennt, der Ossa, der Pindus,
der größre Olymp, die hoch in die Lüfte ragenden
Alpen, es brennt Appenninus, der Träger der Wolken.
Phaëthon aber sieht da nun entzündet an allen Enden
den Erdkreis, er hält die gewaltige Hitze nicht aus, und wie
aus dem tiefen Schacht einer Esse schöpft er im Atem feurige
Luft und fühlt den Wagen unter sich glühen. Schon
vermag er der Asche emporgeschleuderten Staub nicht mehr zu
ertragen; umwölkt von heißem Rauche, von schwarzen Schwaden
umwoben, weiß er nicht, wohin es ihn führt und nicht,
wo er ist; die Willkür der fliegenden Pferde entrafft ihn.
Damals, so glaubt man, erhielt Aetbiopiens Volk seine schwarze
Farbe, da Hitze sein Blut an des Körpers Fläche gerufen.
Und, seiner Feuchte beraubt durch die Glut, ward Libyen damals
trocken, damals beweint ihre Quellen und Seen mit gelösten
Haaren der Nymphen Schar. Da sucht seine Dirce Bœotien, Argos
da Amymone, Corinthus die Wellen Pirenes, Doch die Strömenden
auch, die weitere Ufer erlosten, bleiben nicht sicher: Es dampft
der Tanaïs in seiner Wogen Mitte, Penëus, der Greis,
im mysischen Lande Caïcus und mit dem schnellen Ismen,
bei Phegia auch Erymanthus, Xanthos, der noch einmal sollte
entbrennen, der gelbe Lycormas auch, der in Schleifen rückwärts
sich windend spielt, der Mfeander, Melas, Mygdoniens Fluß,
der Eurotas an Tænarons Berg; da brannte bei Babylon auch
der Euphrat, brannte Orontes, brannte der rasche Thermodon,
der Ganges, der Phasis, der Hister. Auch der Alphëus kocht,
es brennt des Sperchius Gestade, fließt in Feuer das Gold,
das die Wellen des Tagus geführt, und mitten auf dem Caystrus
in Hitze schmachten die Schwäne, deren Gesang die Ufer
des lydischen Flusses verherrlicht. Bis an das Ende der Welt
entfloh der Nil und versteckte angstvoll sein Haupt, das sich
heut noch verbirgt, seine Arme, die sieben, sieben stromlose
Täler, sie liegen in stäubender Leere. Trocken durch
gleiches Geschick in Thracien Hebrus und Strymon, trocken die
Flüsse im West, der Rhodanus, Padus und Rhenus und, dem
über das Ganze die Herrschaft verheißen, der Tiber.
Aller Boden klafft, bis zum Tartarus dringt durch die Spalten
Licht und erschreckt mit der Gattin zugleich den König
der Tiefe. Und es schwindet das Meer. Wo eben Fluten gewesen, Felder
trockenen Sands, und Berge, die bisher die Tiefe deckte, sie
taudien empor, die zerstreuten Inseln zu mehren. Grundwerts
strebt der Fisch. Die Delphine wagen nicht mehr, sich krümmend
im Sprung, wie gewohnt, in die Luft übers Meer sich zu schnellen.
Über die Fläche der Tiefe hin treiben, die Bäuche
nach oben, leblos die Leiber der Robben, in lauen Grotten, so
hört man, hätten sich Nereus und Doris mitsamt ihren
Töchtern geborgen. Dreimal wagte Neptun, aus der Flut die
Arme zu recken, grimmen Gesichts, und dreimal ertrug er die
feurige Luft nicht-
Mutter Erde jedoch, wie rings vom Meer sie umgeben, hob zwischen
Wassern der See und der Quellen, die sich von allen Seiten gesammelt
und tief in der Nacht ihres Schoßes geborgen, auf ihr
gesenktes Haupt, bis zum Hals hin trocken; zur Stirne führt'
sie die Hand und rückte, erschütternd alles mit mächtgem
Beben, ein wenig hinab; sie nahm so tiefer den Platz, denn sonst
sie gewohnt, und ließ ihre heilige Stimme vernehmen: „Ist
es beschlossen und hab ich's verdient, was zögert dein Blitz,
o höchster der Götter? Laß die durch Feuer zu
enden Bestimmte enden durch Deines, damit des Todes Vollstrecker
sie tröste. Kaum noch vermag ich die Kehle zu diesen Worten
zu losen" — Qualm hatte so den Mund ihr erfüllt —
„Und sieh nur: mein Haar ver- sengt und Asche soviel in den Augen,
soviel auf dem Antlitz! Diesen Ertrag und Lohn meiner Fruchtbarkeit,
all meiner Dienste ernt' ich von dir, daß Wunden ich dulde
vom Karst, von des Pfluges Kralle und durch den Lauf des ganzen
Jahres geplagt bin, daß ich dem Vieh sein Laub, dem Menschengeschlechte
zu milder Nahrung die Früchte des Feldes und Euch den Weihrauch
ich biete? Sollt' aber ich verschulden mein End, was verschulden
die Wellen? Was der Bruder? Warum versiegen die Fluten, die
einst das Los ihm zum Anteil gab, und sind entfernter
vom Äther? Läßt du dich aber dem Bruder und
mir zuliebe nicht rühren, deines Himmels erbarme dich dann
i Blick hin nach den beiden Polen — ein jeder raucht! Bringt
die das Feuer zu Schaden, stürzen auch euere Hallen. Und
sieh, wie Atlas sich quält und kaum auf der Schulter mehr
erträgt die glühende Achse. Geht die Erde, das Meer,
die Burg des Himmels zugrunde, quirlt's uns ins alte Chaos zurück.
Entreiße den Flammen, was da etwa noch blieb. Schaff Rat,
hier geht es um alles!" So viel sprach die Erde da nur —
denn sie konnte des Rauches Qualm nicht länger ertragen,
nicht sprechen mehr —, und ihr Antlitz zog in sich selbst sie
zurück, in Höhlen, näher den Schatten.
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