Welt, erste  Dunkel und unsichtbar war die erste Welt am Anfang allen Seins, so dunkel wie die Wolle schwarzer Schafe. Diese Welt der dunklen Erde war klein, eine winzige Insel auf dem unendlichen Weltennebel. Vier Himmelsrichtungen gab es, und über jeder lag eine Wolke. In der Mitte aber wuchs die Weltenkiefer, von der alle Kiefern ihren Anfang genommen haben. Die vier Wolken enthielten das Wesen dieser ersten Welt, die gestaltlos war, und jede Wolke hatte eine bestimmte Farbe. Die schwarze Wolke enthielt das Weibliche, das in ihr war wie das Kind im Leibe der Mutter. Die weiße Wolke aber war das Männliche, das wie das erwachende Licht, wie die Dämmerung war, von der alles seinen Ausgang nimmt.

Im Osten, dort, wo die schwarze und die weiße Wolke sich berührten, entstand Erster Mann. Mit ihm wurde Weißer Mais geboren, der wunderbar war in seiner Regelmäßigkeit. Der Ort aber, an dem dies geschah, heißt Maissamen-Ort. Erster Mann und Weißer Mais waren ohne Form und Dinglichkeit, denn die erste Welt war die Welt der Nebelwesen, aus denen erst alles werden sollte, was wir heute um uns sehen.

Im Westen, dort, wo heute die Sonne versinkt, erschien eine blaue Wolke und neben ihr eine gelbe Wolke. Wo sich beide berührten, entstand Erste Frau und mit ihr Gelber Mais. Zugleich wurden Weiße Muschel, Türkis und Yuccapflanze geschaffen.

Erster Mann stand im Osten der dunklen Welt; er war die Dämmerung, der Anfang, der Spender allen Lebens. Erste Frau aber stand im Westen, Sinnbild der Dunkelheit und des Todes. Erster Mann trug einen Bergkristall in der Hand, Zeichen des Begreifens, des klaren Denkens, Symbol des Verstandes und des Feuers. Als er diesen flammen ließ, erwachte sein Geist aus der untätigen Dämmerung der ersten Schöpfung und begriff sein Dasein.  - Navajo-Mythos, nach: Nordamerikanische Indianermärchen. Hg. Gustav A. Konitzky. Düsseldorf, Köln 1982 (Diederichs, Märchen der Weltliteratur)

 

 

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