eißwein  Wir tranken aus einem scheußlichen Gefäß, das man porrón nannte. Ein porrón ist eine Glasflasche mit einer spitzen Tülle, aus der ein dünner Strahl Wein spritzt, wenn man die Flasche kippt. So kann man aus einiger Entfernung trinken, ohne die Flasche mit den Lippen zu berühren, und sie kann von Hand zu Hand weitergereicht werden. Sobald ich einen porrón in Gebrauch sah, streikte ich und verlangte einen Trinkbecher. In meinen Augen ähnelten diese Trinkflaschen allzusehr Bettflaschen, besonders, wenn sie mit Weißwein gefüllt waren. - George Orwell, Mein Katalonien. Bericht über den Spanischen Bürgerkrieg. Zürich 1975 (zuerst 1938)

Weißwein (2) Letztlich war es die Angst vor dem Ersticken, die mich auf Trab brachte. Auf die linke Hand gestützt, setzte ich mich auf und tastete meine unmittelbare Umgebung ab. Und siehe da, die Erfahrung, daß zumindest meine Hand die erdrückende Finsternis zu durchbrechen vermochte, sie half. Hinter meinem Kopf ertastete ich die Mauer mit der Wasserflasche und den übrigen Sachen und über mir die Höhlendecke, nach vorn und zu den Seiten stieß ich dagegen ins Leere. Weiter auf die freie Linke gestützt, hangelte ich mich auf Knien an der Kette vorwärts. Und bald schlug mir aus dem leeren Raum ein schwacher Luftzug entgegen. Wo Luft hereinkam, da mußte auch Licht eindringen können. Ich kroch zurück auf die Matratze und begann nachzudenken. Darüber wurde ich ruhiger. Mit selbst erzeugten Vorstellungen und Gedanken verdrängte ich die halluzinatorischen Ausgeburten der schwarzen Finsternis ringsum. Und auch die Initiative vorhin, der kleine Erkundungsgang, wirkte aufbauend. Also machte ich nach dem Rezept weiter. Erst benutzte ich die Bettpfanne, die ich mit der linken Hand ziemlich ungeschickt handhabte, dann wischte ich mich mit einem Stück Toilettenpapier ab, schob anschließend die Bettpfanne nach links und griff nach der Flasche. Die ließ sich mit einer Hand nur schwer halten, und ich verschüttete reichlich Wasser auf der Matratze, bevor es mir gelang, ein paar Schluck zu trinken. Obwohl ich entsetzlich fror, hatte ich einen brandheißen, trockenen Mund.und aufgesprungene Lippen, wie eine Fieberkranke. Das Wasser war wunderbar erfrischend und köstlich! Nicht nur, daß es den Durst stillte, es schmeckte auch so vorzüglich wie der erlesenste Weißwein. War der Griff zur Flasche zuerst nur Beschäftigungstherapie gewesen, so merkte ich jetzt, wie durstig mich der Fußmarsch und die qualvollen Stunden der Angst gemacht hatten. Jeder Schluck beflügelte mich - weil es so gut schmeckte und weil das Wasser ein Omen war. Wenn sie mich hier umkommen lassen wollten, hätten die Entführer mir dann Wasser hingestellt? Oder eine Bettpfanne und sogar Toilettenpapier?  - Magdalen Nabb, Alta moda. Zürich
 

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