einhaus Man
denke nicht etwa an einen gemeinen Trinker, der trinkt und trinkt aus
Wohlgeschmack, bis er lallt und schläft; gerade das Umgekehrte war Hoffmanns
Fall. Er trank, um sich zu montieren; dazu gehörte anfangs, wie er noch kräftig
war, weniger; später natürlich mehr; — aber war er einmal montiert, wie er es
nannte, in exotischer Stimmung, die, oft bei einer halben Flasche Wein, auch
nur ein gemütlicher Zuhörer hervorrufen konnte, so gab es nichts Interessanteres
als das Feuerwerk von Witz und Glut der Fantasie, das er dann unaufhaltsam,
oft fünf, sechs Stunden hintereinander vor der entzückten Umgebung aufsteigen
ließ. War aber auch seine Stimmung nicht exaltiert, so war er im Weinhause nie
müßig, wie man so viele sitzen sieht, die nichts tun als nippen und gähnen;
er schaute vielmehr mit seinen Falkenaugen überall umher; was er an Lächerlichkeiten,
Auffallenheiten, selbst an rührenden Eigenheiten bei den Weingästen bemerkte,
wurde ihm zur Studie für seine Werke. - E.T.A. Hoffmanns Leben und Nachlass. Von Julius Eduard Hitzig.
Frankfurt am Main 1986 (it 1986, zuerst ca. 1825)
Weinhaus
(2) Manchen Abend saß ich da, sah um mich, es war die
Weinstube, doch etwas Schräges und Versinkendes lag, schien mir, über dem Raum,
er hatte die Form und Täfelung eines Schiffs-innern: Ein Torpedo, das in die
Tiefe schoß - ja, dieser Eindruck drängte sich mir auf, etwas Abgleitendes,
eine Gerneinschaft, die versinkt, mit Bildern wie Ölflecke, Nachzügler über
den Abgründen, schlicht um schlicht. An einem Nebentisch saßen drei Herren,
aßen Ragout aus Muscheln, erzählten, scherzten mit der Wirtin, ein heiterer
Kreis. „Lieber gut, aber dafür ein Jahr länger", äußerten sie, handhabten
das Eßgerat, Gabeln, zwischen Brötchenabbiß, dazu Pokal, dann wieder bogen sie
die Schenkel aufwärts und traten aus. An der Schulter gelöste Gliedmaßen, unten
Gamaschen. Ein Hund Krause, der gewaschen werden müsse, zum bevorstehenden Fest
sei die Säuberung angezeigt, kehrte immer wieder. Aschenzuwachs am Glimmstengel,
Saugen, Bemerkungen hin und her - so verging ihnen der Abend, verteilte sich
das Ungewisse, gliederte sich die Zeit. - Gottfried Benn, Weinhaus
Wolf. In: G. B.,
Prosa und Szenen. Ges. Werke Bd. 2. Wiesbaden 1962
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