eihnachtsgeschenk  Da hat sich so 'n Bürger einen Latah aus Indochina importiert. Er will mit dem Latah ne Nummer am Galgen machen und seinen Freunden ein Videotape davon zu Weihnachten schicken. Besorgt sich also zwei Stricke — der eine is echt, der andere sieht bloß so aus und ist in Wirklichkeit 'n Gummiseil. Aber der Latah riecht Lunte und zieht sich in der Nacht seine Nikolaus-Kluft an und vertauscht die beiden Dinger. Am nächsten Morgen legt sich unser Bürger die eine Schlinge um den Hals, und der Latah, der ja alles nachmachen muß, macht sich die andere um. Na, die Falltüren klappen auf, und der Bürger hat sich aufgehängt, während der Latah am Ende von seinem straffen Gummiseil lässig da unten rumsteht. Tja, und dann  macht er jedes Zucken von dem anderen nach und es geht ihm dreimal hintereinander einer ab.   - (lun)

Weihnachtsgeschenk ⁽²⁾   Geweckt wurde ich von Kinderstimmen, gepaart mit neugierigen Augen, die aus dunklen Gesichtern herauslugten. Ich spürte, wie meine Finger verknotet wurden, auf beiden Seiten der Liege, und auf einmal merkte ich, daß meine Zehen geknetet wurden. Ich blickte mich um. Es waren nicht einige Kinder, es waren nicht viele Kinder, es waren unzählige Kinder. Offensichtlich war ich, dieser fremde Mann, den sie dösend am Strand gefunden hatten und dessen Gliedmaßen sie nun auf ihre Biegsamkeit hin prüften, ihr Spielzeug. Aber es war nicht unangenehm, dieses Gefühl des ungefährdeten Ausgeliefertseins.

- Wer seid ihr?

- Wir sind die, die nicht in die Kirche müssen.

- Was macht ihr mit mir?

- Du bist ein angeschwemmter Fisch.

- Wir haben dich gefangengenommen.

- Wir haben dich in eine Falle gelockt.  

- Es ist Weihnachten ... 

- ... du bist unser Geschenk.

Sie glucksten und intensivierten ihre Versuche, meine Finger zu verknoten, meine Arme zu verschränken.   - Ilija Trojanow, Nomade auf vier Kontinenten. Auf den Spuren von Sir Richard Francis Burton. München 2008 (zuerst 2007)

Weihnachtsgeschenk ⁽²⁾