Weihnachtsbaum

 

- N. N.

Weihnachtsbaum (2)  Zu Weihnachten 1930 hatten Tono und seine Frau für ein Dutzend Spanier, Schauspieler und Schriftsteller, sowie für Chaplin und Georgia Hale ein Essen ausgerichtet. Jeder brachte ein Geschenk für zwanzig, dreißig Dollar mit, und die Geschenke wurden dann an den Weihnachtsbaum gehängt.

Man trank - Alkohol floß trotz der Prohibition in Strömen -, und ein damals ziemlich bekannter Schauspieler namens Rivelles rezitierte auf spanisch ein bombastisches Gedicht von Eduardo Marquina zum Ruhm der alten Flandernkämpfer.

Das Gedicht widerte mich an. Ich fand es ekelhaft, wie mir alles patriotische Getue ekelhaft ist. Ich saß bei dem Essen zwischen Ugarte und einem anderen Freund, Peña, einem einundzwanzigjährigen Schauspieler. Leise sagte ich zu ihnen:

„Wenn ich mir die Nase schneuze, ist das das Zeichen. Ich stehe auf und ihr auch, und wir reißen diesen widerlichen Weihnachtsbaum zusammen."

Gesagt, getan. Ich schneuzte mich, wir drei standen auf und fingen unter den weit aufgerissenen Augen der Gäste an, den Weihnachtsbaum zu zerstören.

Leider ist es nicht einfach, einen Weihnachtsbaum in Stücke zu reißen. Vergeblich rissen wir uns die Hände wund. Darauf griffen wir nach den Paketen und zertrampelten sie am Boden.

Tiefes Schweigen ringsherum. Chaplin blickte verständnislos. Leonor, Tonos Frau, sagte zu mir:

„Luis, das ist wirklich eine Gemeinheit."

„Überhaupt nicht", antwortete ich. „Das ist alles andere als eine Gemeinheit. Das ist ein Akt des Vandalismus und der Subversion."

Der Abend endete früh.

Am nächsten Tag, ein schöner Zufall, las ich in einer Zeitung, daß in Berlin in einer Kirche während des Gottesdienstes ein Gläubiger aufgestanden war und den Weihnachtsbaum zerstört hatte.  - Luis Buñuel, Mein letzter Seufzer. Berlin, Wien, Frankfurt am Main 1985

 

Weihnachten Baum

 

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