Weibergespräch  Warwara lachte in ihr Tuch hinein und sagte flüsternd:

»Ich war soeben mit dem Popensohn.«

»Quatsch!«

»Bei Gott!«

»Die Sünde!« raunte Sofja.

»Na, wenn schon... Warum bedauern? Sünde hin, Sünde her, lieber soll mich der Blitz erschlagen, als daß ich dies Leben weiterführe. Ich bin jung und gesund, mein Mann aber ist bucklig, widerwärtig und grausam, schlimmer noch als der verdammte Djudja. Als Mädchen habe ich oft nichts zu essen gehabt und mußte barfuß gehen; Aljoschkas Reichtum hat's mir angetan: ich dachte, so könnte ich dem Elend entrinnen, und geriet doch dabei nur in Gefangenschaft wie ein Fisch in die Reuse, aber leichter wäre es mir, mit einer Schlange zu schlafen als mit diesem schäbigen Aljoschka. Und wie ist dein eigenes Leben? Als ob's meine Augen nicht sähen! Dein Fedor hat dich aus der Fabrik zum Vater heimgejagt und sich selber eine andere geholt; deinen Jungen haben sie dir fortgenommcn und unter Aufsicht gestellt. Du arbeitest wie ein Pferd, doch niemand sagt dir je ein gutes Wort. Besser, sich lebelang als Mädchen herumzutreiben, besser von den Popensöhnen einen halben Rubel zu nehmen und Almosen zu sammeln, besser, gleich mit dem Kopf voran in den Brunnen ...«

»Die Sünde!« flüsterte Sofja von neuem.

»Na, wennschon.«

Hinter der Kirche stimmten die gleichen Stimmen wiederum das traurige Lied an, die beiden Tenöre und der Baß. Und wiederum war kein Wort zu verstellen.

»Nachtvögel...« Warwara lachte.

Und sie begann flüsternd zu erzählen, wie sie es nachts mit dem Popensohn treibe und was er ihr alles sage und was für Kameraden er habe und wie sie selber bereits mit den durchreisenden Beamten und Kaufleuten ein lustiges Leben geführt. Vom traurigen Lied her wehte ein Atem ungebundenen Daseins, und Sofja begann zu lachen, sie schämte sich und hatte Angst, und dennoch war es schön, zuzuhören, und sie beneidete die andere, und es tat ihr leid, daß sie selber nicht gesündigt, derweil sie noch jung und hübsch gewesen ... Auf dem Friedhof der alten Kirche wurde Mitternacht geläutet.

»Zeit, schlafen zu gehen«, sagte Sofja und erhob sich, »sonst konnte uns noch Djudja schnappen.«

Beide begaben sich leise in den Hof.

»Als ich ging, war der mit seiner Erzählung von Maschenka noch nicht zu Ende«, sagte Warwara und richtete ihr Lager neben dem Fenster.

»Sie sei im Gefängnis gestorben«, sagte er. »Sie habe den Mann vergiftet.«

Warwara legte sich neben Sofja, dachte nach und meinte dann leise:

»Ich könnte meinen Aljoschka ebenfalls um die Ecke bringen und würde es nicht bereuen.«

»Gott mit dir, was schwatzest du da!«

Als Sofja am Einschlafen, war, schmiegte sich Warwara eng an sie und flüsterte ihr ins Ohr:

»Laß uns Dudja und Aljoschka um die Ecke bringen!«

Sofja erbebte und cntgegnete kein Wort, danach jedoch öffnete sie die Augen und blickte lange, ohne zu blinzeln zum Himmel auf.

»Die Menschen könnten es herausbringen«, sagte sie.

»Werden es nie erfahren. Djudja ist schon alt, für ihn ist es Zeit, zu sterben; von Aljoschka aber wird man sagen, er habe sich zu Tode gesoffen.«

»Ich fürchte mich ... Gott könnte uns strafen.«

»Na, wenn schon ...«

Beide schliefen nicht und dachten schweigend nach.   - Anton Tschechow, Weiber. Nach (tsch)

 

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