ehleidigkeit Wenn wir Indianer spielten, dann war immer ich es, der den Gefangenen darstellte, den man an den Marterpfahl fesselte, den man sich anschickte zu skalpieren, und den man tatsächlich in Schrecken versetzte.
Mit dieser »wehleidigen« Seite meines Charakters, die einer meiner tiefsten
Wesenszüge ist, verbindet sich die folgende Erinnerung, die wiederum eine Theatererinnerung
lst: die entsetzlichen Plakate für »Kinderzuchthaus«, ein realistisches Bühnenstück
über die Besserungsanstalten, das einige Jahre vor dem Kriege im Ambigu
gespielt wurde. Auf dem Plakat waren Jugendliche mit fleischlosen und bleigrauen
Gesichtern abgebildet, mit Holzschuhen und blauen Mützen, und ihr brutaler Hüne
von Wächter mit seinem dicken Bauch, starkem Schnurrbart
und wütenden Augen. Diese Erinnerung ist zweifellos die erste, in der mein tiefer
Haß und Abscheu der Polizei gegenüber vorkommen (körperlich: brutale Grobiane,
die nach Schweiß riechen, mit vermieftem Hintern
und ungewaschener Vorhaut). - (
leiris3
)
Wehleidigkeit (2)
Wehleidigkeit (3) Wenn ich bei Besorgungen in Gimmerton ganz zufällig die Haushälterin von Wuthering Heights antraf, pflegte ich sie nach dem Ergehen des jungen Herrn zu fragen; dieser lebte in einer fast ebenso vollständigen Abgeschlossenheit wie Catherine selbst und war nie zu sehen. Ich erfuhr durch sie, dass seine Gesundheit immer gleich schwach sei, und er selbst sehr ermüdend für alle Hausgenossen. Sie sagte, Mr. Heathcliff scheine für ihn eine ständig wachsende Abneigung zu haben, wenn er sich auch bemühe, sie zu verbergen: er könne seine Stimme nicht leiden, und es sei ihm unmöglich, länger als ein paar Minuten mit ihm im gleichen Raum zuzubringen. Sie redeten wenig miteinander; Linton lerne seine Aufgaben und befinde sich abends in einem kleinen Raum, den sie das Nebenzimmer nannten, oder er liege den ganzen Tag im Bett; denn beständig werde er von Schnupfen, Husten, Schmerzen und andern Übeln heimgesucht.
«Und nie habe ich eine so kleinmütige Kreatur getroffen», fügte die Frau
hinzu, «noch eine so ganz und gar mit sich selbst beschäftigte. Das gibt endlose
Geschichten, wenn ich am Abend auch noch so kurze Zeit das Fenster offenlasse.
Oh! das ist tödlich! ein Zug Nachtluft! Mitten im Sommer will er ein Feuer im
Kamin; Josephs Tabakpfeife ist für ihn Gift; immer muss er Zuckerwerk und Leckereien
haben und beständig Milch, immer noch mehr Milch - ohne dass er sich darum kümmert,
wie es uns ändern im Winter daran gebrechen wird; und so sitzt er, in seiner
Pelzjacke, in seinem Stuhl am Kamin, knabbert an einem Stück gerösteten Brotes,
schlürft Wasser oder irgendeine andere Flüssigkeit, die auf dem Herdeinsatz
kocht. Wenn Hareton, dem er leid tut, hereinkommt, um ihn zu unterhalten - denn
Hareton ist gutherzig, wenn auch rauh -, kann man gewiss sein, dass sie sich
am Ende, der eine fluchend, der andere weinend, trennen. Ich glaube, der Meister
hätte seinen Spass daran, wenn Hareton ihn windelweich klopfte, wäre er nicht
sein Sohn; und ich bin gewiss, er würde ihn vor die Tür setzen, hätte er Kenntnis
auch nur von der Hälfte der Pflege, die er sich angedeihen lässt. Doch er weicht
der Versuchung aus; nie betritt er das Nebenzimmer, und sollte Linton im Wohnzimmer
vor ihm ein solches Gehaben zeigen, so schickt er ihn augenblicklich hinauf.»
- Emily Brontë, Sturmhöhe. Zürich 1973 (zuerst 1847)
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