Wege, notwendige    Andrej Tarkowski hatte im Sinn, daß die Drcharbeiten an einem herausgehobenen Ort, z. B. an Kreuzwegen zwischen Himalaya und Karakorum, d.h. auf tibetanischem Gelände, stattfinden sollten. Es gäbe dort Chreoden, so begann er das Gespräch, sobald ich saß und mit Tee versorgt war. Das sind »notwendige Wege«. Nur an diesen Orten, ein Ort sei aber immer die Summe aller Bewegungen, die auf ihm stattgefunden hätten, sei es aussichtsreich, daß eine Filmaufzeichnung, ja daß der Plan einer solchen Aufzeichnung uns gelänge. Ohne den rechten Ort könnten wir uns erst gar nichts ausdenken. In der russischen Gruppe, die ihn versorgte, war eine gewisse Geheimnistuerei im Schwange. Ich war nicht sicher, daß seine Botschaft, von dieser Umgebung ins Deutsche übersetzt, gerade was ihre unpraktische Seite betraf, sein letztes Wort sein sollte. Er hatte das Gespräch angefordert. Auf meine Mentalität mußte er eine gewisse Rücksicht nehmen.*

Es gäbe, sagte Tarkowski, nachdem ich meine zweite Ladung Tee und zwei Blinis erhalten hatte, in Süditalien, wenig entfernt von Neapel, einen der »Brunnen«, schon in der Antike bekannt (bei Ovid erwähnt), und dort sei er gewesen. Der Zugang sei kompliziert, weil der Brunnen selbst durch eine christliche Kapelle überbaut sei. Die Kapelle wiederum findet man nur, wenn man in einem Patrizierhaus, einem Landhaus, und dort in den Kellern einen Durchstieg findet, der in ein tieferes Kellergewölbe führt, von dort aus muß man den Boden aufhacken. Hier, weil alles an einem Hang gelegen ist, bricht Licht herein, und der Zugang findet sich. Ich habe beim Eintritt sogleich die Empfindung gehabt, sagte Tarkowski, daß der Weg wenig tiefer, gleich unterhalb des Bodens, zu einem jener Brunnen führt, die die Verbindung zur Unterwelt herstellen. Um diese Empfindung gehe es in dem ganzen Film.   

* Daß es günstige Orte und Zeiten gibt, ohne die nichts gelingt, darüber waren wir nicht verschiedener Meinung. Ich kann an einem Brunnen, der mich bewegt hat, ein Sandkorn, eine Taube oder eine Ameise filmen, und das gelingt, weil GOTT KAIROS half. Das ist jedoch, gesehen von den Verwaltungsbehörden des Films, Luxus. Man muß, wenn man solche Orte (und vor allem Zeiten) zu zweit finden will, von diesen Behörden unabhängig sein. Dann aber muß man die Orte (und günstigen Zeiten) suchen, wo man sie findet. Also auf Glück vertrauen und nicht PLANEN.

- (klu)

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