egbeschreibung Das
erste Land, wohin ihr auf dieser Reise kommt, ist das sogenannte Land der Vögel,
wo man vor dem Geräusch, welches die Vögel mit ihrem
Gesang und dem Schlagen ihrer Flügel machen, sein eigenes Wort nicht hört. Wenn
ihr eilf Tage mit der Reise durch dieses Land zugebracht habt, so kommt ihr
in das Land der Thiere, ein furchtbarer Aufenthaltsort, wegen des Brüllens und
Geschreys der wilden Thiere aller Art. Man reist hier 20 Tage lang, ehe
man in das Land der Dschinnen kommt. Hier hört man nichts als ein schreckliches
Geheul, man sieht hier nichts als Irrlichter und Rauchwolken,
die dem Reisenden auf allen Seiten den Weg versperren zu wollen scheinen. Um
hier durch zu kommen, bleibt ihm kein anderes Mittel übrig, als seinem Pferde
die Augen zu verbinden, den Kopf auf den Sattel hängen zu lassen, und so drey
Tage lang in vollem Gallop fort zu reiten. Dann kommt er an das Ufer eines großen
Flusses, dessen Strom geradezu nach der Insel Wakwak führt. Diese Insel hat
ihren Namen von einem Baum, welcher Früchte trägt, die Menschenköpfen gleichen.
Allemal wenn die Sonne aufgeht, rufen diese Köpfe Wakwak! Gelobt
sei Gott, der Urheber von allem diesem Triktrak! An diesem Geschrey merken
wir allemal, wenn die Sonne aufgegangen ist. Gerade so ist es auch beym Untergang
der Sonne. Übrigens sind die Bewohner dieser Insel wie hier, Weiber,
die keine Männer unter sich dulden. Sie gehorchen dem großen König der Dschinnen,
der über eine zahllose Armee von Dschinnen, Dämonen,
Teufeln und Poltergeistern aller Art zu befehlen hat.
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Wegbeschreibung (2) Dostojewski wollte 1867 bei einem Schweiz-Aufenthalt nicht einleuchten, wieso die Genfer Bürger auf ihre Stadt so große Stücke hielten. »Die einfachsten Dinge, selbst ihre Straßenlaternen staunen sie an, als wären es die größten Herrlichkeiten«, ereiferte sich der dem Westen zürnende Nationalist m einem Brief. Sogar bei einer simplen Wegbeschreibung könnten sie nicht umhin, mit Sätzen wie: »Wenn Sie an diesem wunderbar eleganten Bronzebrunnen vorbei sind« den Stolz auf ihr geschichtsreiches Umfeld kundzutun. Ein Istanbuler würde in ähnlicher Situation sagen: »Gehen Sie an dem kaputten Brunnen da vorbei und dann die Straße mit dem abgebrannten Haus entlang«, und sich überhaupt fragen, was der Fremde in jener ärmlichen Gegend denn verloren habe.
Ein gutes Beispiel dafür läßt sich etwa der Erzählung »Bedia
und die schöne Helena« von Ahmet Rasim entnehmen, einem der bedeutendsten Autoren
von Istanbul-Büchern. Dort heißt es nämlich: »Gehen Sie vor zum Ibrahim-Pasa-Hamam.
Wenn Sie an der Ruine vorbei sind, sehen Sie rechts ein heruntergekommenes altes
Haus.« - Orhan
Pamuk, Istanbul. Erinnerungen an eine Stadt. Frankfurt am Main 2011
Wegbeschreibung
(3) «Steigt hinab in diese Höhle; wenn Ihr an die Stufen
kommt, die Ihr von hier aus sehen könnt, werdet Ihr eine offene Pforte
finden. Diese führt Euch in ein großes Gewölbe, das
in drei Räume, einer hinter dem anderen, unterteilt ist. In jedem dieser Räume
werdet Ihr linker und rechter Hand vier große metallene Gefäße sehen, die voller
Gold und Silber sind. Allein nehmt Euch ja in acht, daß Ihr diese Truhen nicht
anrührt. Ehe Ihr in den ersten Raum eintretet, hebt Euren Rock auf und wickelt
ihn fest um Euch herum. Dann geht, ohne Euch im geringsten aufzuhalten und vor
allem, ohne die Mauern auch nur mit einem Rockzipfel zu berühren, durch
die beiden ersten Säle in den dritten. Wenn Ihr jedoch irgend etwas vorher anrührt,
müßt Ihr auf der Stelle sterben. Am Ende des dritten Saales befindet sich eine
Tür, die Euch in einen Garten mit schönen Bäumen voller Früchte führen wird.
Durch diesen Garten geht geradewegs auf einem Weg entlang, der Euch zu einer
Treppe mit fünfzig Stufen führt, über die man auf eine Terrasse gelangt. Wenn
Ihr dort oben steht, werdet Ihr in der Mauer ein Loch sehen und in dem Loch
eine brennende Lampe. Nehmt die Lampe, löscht sie aus,
werft den Docht weg und gießt das Öl aus. Dann steckt sie in Euer Hemd und bringt
sie mir. Habt keine Sorge wegen Eurer Kleider: Die Flüssigkeit ist kein richtiges
Öl, und die Lampe wird schnell trocknen, wenn keine Flüssigkeit mehr darin
ist. Wenn Euch die Früchte im Garten gefallen, so könnt Ihr davon ruhig aufsammeln
so viele Ihr wollt; das ist Euch nicht verboten.» Während er also
sprach, zog der Afrikanische Zauberer einen Ring
von seinem Finger und steckte ihn Aladin an. Dieses sei, so sagte er, ein Schutzmittel
gegen alles Übel, was ihm womöglich begegnen könnte, selbst wenn er alle
seine Anweisungen richtig befolgte. «Geht jetzt, liebstes Kind», wies er ihn
anschließend an, «steigt beherzt hinunter, wir werden alle beide reich für den
Rest unseres Lebens sein.» - Historie von Aladin oder Die wunderbare
Lampe. Nach: Tausendundeine Nacht nach Galland (Die
Bibliothek von Babel 26, Hg. J. L. Borges). Stuttgart 1984
Wegbeschreibung (4) - Verzeihung, Herr Wachtmeister, könnten Sie mir vielleicht den kürzesten Weg zur Sainte-Chapelle zeigen, dieser Perle der gotischen Kunst?
— Nun, sagte Trouscaillon automatisch, passen Sie auf. Zuerst müssen Sie
nach links, anschließendnach rechts und dann, wenn Sie auf einem kleinen Platz
angelangt sind, nehmen Sie die dritte Straße rechterhand, dann die zweite linkerhand,
noch etwas rechts, dreimal nach links und dann fünfundfünfzig Meter geradeaus.
Natürlich gibts da Einbahnstraßen zu beachten, was die Sache nicht gerade erleichtert.
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Raymond Queneau, Zazie in der Metro. Frankfurt am Main 1999 (zuerst 1959)
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