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Wechsel (2) SGANARELL : In diesem Fall, Herr, sage ich Ihnen offen, daß ich Ihre Methode nicht billige, und daß ich es schändlich finde, nach allen Seiten hin zu lieben, wie Sie es tun.
DON JUAN: Wie? Du willst, man soll sich für immer an die erste Person
binden, die einen reizt, man soll ihretwegen der Welt entsagen und für
niemand mehr Augen haben? Herrlich - sich durch einen falschen Ehrbegriff
zur Treue zwingen lassen, sich für immer in ein Gefühl vergraben
und von Jugend auf tot sein für alle anderen Schönheiten, die einem vor
Augen kommen können! Nein, nein, Beständigkeit
taugt nur für die Narren; alle schönen Weiber
haben ein Recht darauf, uns zu begeistern, und der Vorteil der einen, die
uns zuerst in den Weg lief, soll die andern nicht der gerechten Ansprüche
berauben, die sie allesamt auf unsere Herzen erheben dürfen. Mich bezaubert
die Schönheit überall, wo ich sie finde, und
ich gebe der süßen Gewalt, mit der sie uns fesselt, gerne nach. Ich mag
noch so verliebt sein - die Liebe zu der einen kann mich nie veranlassen,
ungerecht gegen die andern zu sein. Ich behalte mir den Blick
frei für die Reize aller und erweise einer jeden
die Ehre, zahle einer jeden den Tribut, zu dem die Natur uns verpflichtet.
Wie dem auch sei, ich kann mein Herz nicht gegen alles verschließen, was
mir liebenswert scheint, und wenn ein hübsches Gesicht mein Herz verlangt,
so gäbe ich, auch wenn ich zehntausend Herzen hätte, sie ihm alle. So eine
erwachende Neigung hat neben allem andern noch einen ganz unaussprechlichen
Reiz, und das ganze Vergnügen an der Liebe beruht schließlich auf dem Wechsel.
Es ist ein ganz einziger Genuß, durch tausend Huldigungen das Herz einer
jungen Schönen zu gewinnen, Tag für Tag die kleinen Fortschritte zu beobachten,
die man macht, mit Schwüren, Tränen und Seufzern die unschuldige Schamhaftigkeit
einer Seele zu bestürmen, der es so schwer fällt,
die Waffen zu strecken, Schritt für Schritt all die kleinen Hindernisse
zu überwinden, die sie uns entgegenstellt, die Bedenken zu zerstreuen,
die sie als Ehre für sich ansieht, und sie ganz sachte dorthin zu führen,
wo wir sie haben wollen. Aber hat man einmal gesiegt, dann hat man auch
nichts mehr zu sagen und nichts mehr zu wünschen; alles Schöne der Leidenschaft
ist dahin, und wir schlafen über dem Frieden einer solchen Liebe ein, wenn
nicht ein neuer Gegenstand unser Verlangen weckt und unserm Herzen die
lockenden Reize einer neu zu machenden Eroberung zeigt. Schließlich ist
nichts so süß wie der Triumph über den Widerstand einer schönen Frau, und
ich habe hierbei den Ehrgeiz der großen Eroberer, die von einem Siege zum
andern stürmen und sich nicht entschließen können, ihre Wünsche
einzuschränken. Es gibt nichts, was die Gewalt meines Begehrens hemmen
könnte, ich fühle in mir die Kraft, die ganze Welt zu lieben, und wie Alexander
wünschte ich, es gäbe noch eine andere Welt, auf die ich meine Liebeseroberungen
ausdehnen könnte. - Molière, Don Juan. In: Molière, Werke. Übs. Arthur
Luther, R. A. Schröder, Ludwig Wolde. Wiesbaden 1954 u.ö. (Insel)
Wechsel (3) menschlicher Plagen
Auf Nacht, Dunst, Schlacht, Frost, Wind, See, Hitz, Süd,
Ost, West, Nord, Sonn, Feur und Plagen. Der Mond, Glunst, Rauch, Gems, Fisch, Gold, Perl, Baum,
Flamm, Storch, Frosch, Lamm, Ochs und Magen Was gut, stark, schwer, recht, lang, groß, weiß, Eins, ja,
Lufft, Feur, hoch, weit genennt, Alles wechselt, alles liebt, |
Wechsel (4) Sogar das gewohnheitsmäßig am meisten Einheitliche, das Geläufigste, wird dem Gesetz der Unterbrechung nachgeben, wird zehnmal innehalten, zwanzigmal, fünfzigmal.
Man hat ein Verlangen. Gleich darauf kein Verlangen mehr. Dann von neuem
Verlangen, heftig, das ganze Feld erobernd, dann gleich nachher Nichtverlangen,
keine Spur von Verlangen, dann, ohne Zeit zum Atemholen gehabt zu haben,
von neuem Verlangen, im selben Augenblick, rasend, absolut, dann totales
Nichtverlangen, absolute Interesselosigkeit ... und so verlängert sich
im höchsten Tempo die merkwürdige Kette aus offenen Ringen, da kommt ein
anderer Impuls dazwischen, der sie auf der Stelle anhält, schnell wie ein
Vogel im vollen Fluge, der vor dem Fenster vorbeifliegt, ebenso schnell
Aufhören des Impulses, keine Zeit darüber nachzudenken, und schon ist der
Impuls wiedergekommen, dann gleich danach das
neue Aufhören des Impulses bis zum Gleichmut einer Statue und dann von
neuem der erste Impuls, ganz neu und heißhungrig und taub für alles, und
wie ein Schatten folg ihm das Aufhören des Impulses, mit der Geschwindigkeit
des Herunterkollerns auf den Stufen einer Treppe,
einer Treppe, die einen sofort in entgegengesetzter Richtung wieder zurückschicken
wird. Keine Ruhe mehr. Man muß da hindurch, immer nacheinander, unendlich
zusammengezogen, dann auseinandergezogen, dann zusammengezogen, dann auseinandergezogen,
dann zusammengezogen, dann auseinandergezogen, nie von der Tyrannei des
Wechsels losgelassen. Eine Idee, die man hat, vom gleichen unsichtbaren
Mechanismus geschnappt, erst gezeigt, dann verdunkelt, dann wieder gezeigt,
dann von einer neuen Verdunkelung verschlungen, dann wiedererscheinend,
dann von neuem gelöscht, ist unwirksam, ermüdend, flüchtig, unerlebbar,
töricht, überaus quertreiberisch, und trägt das Ihre dazu bei, die geistigen
Funktionen vollends lächerlich werden zu lassen. Aufreizend, grausam, verheerend,
macht unfähig zu jedem Nachdenken, zu jeder Theorie, zu jeder Systematik,
macht gedächtnislos, standortlos (beständig aus dem eigenen Standort herausgeworfen,
wieder eingesetzt, wieder ausgestoßen), macht zum Hampelmann,
macht zappeln, zappeln, zappeln, zappeln, mit
den Zappelbewegungen eines zappelnden Narren, Übersetzung der unaufhörlichen
kleinen Zappelbewegungen, der Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen zwischen
Anwesenheit und Abwesenheit, Übersetzung aller der erlittenen Widersprüche
und aller der Antagonismen, von denen man betäubt und zerstückelt wird.
Antagonismen, soweit mir schien, in ihrer sparsamen Montageform, also:
»Ja«, dann Aufhören des »Ja«, dann von neuem »Ja«, dann Aufhören des »Ja«,
und einen neutralen Zustand gibt es nicht. -
Henri Michaux, Turbulenz im Unendlichen. Die Wirkungen des Meskalins. Frankfurt am Main 1971
Wechsel (5)
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Wenn das stündlin nicht da ist / so rieht man nichts aus / man thu wie man wil / Wens nicht sein sol / so wird nichts draus. |
MAN erbeit wie man wil / So kan man nicht mehr ausrichten. IODa her sähe ich die mühe / die Gott den Menschen gegeben hat / das sie drinnen geplagt werden n(Er aber thut alles fein zu seiner zeit) Vnd lesst jr Hertz sich engsten wie es gehen solle / in der Welt / Denn der Mensch kan doch nicht treffen das werck das Gott thut / weder anfang noch ende. Darumb merckt ich / das nichts bessers drinnen ist / denn frölich sein / vnd jm gütlich thun in seinem Leben. Denn ein jglicher Mensch der da isset vnd trinckt / vnd hat guten mut in alle seiner erbeit / Das ist eine gabe Gottes. |
- Prediger Salomo, nach
(lut)