aten  „Schau", sagte er, „da liegt Molokai schon weit hinter uns, und Maui gleicht einer Wolke, und an der Stellung dieser drei Sterne erkenne ich, daß ich da bin, wo ich hin wollte. Dieser Teil der See heißt das Totenmeer. Es ist hier außerordentlich tief, der Boden ist überall mit Menschenknochen bedeckt, und in den Höhlen tief unten wohnen Götter und Dämonen. Die Meeresströmung geht nach Norden, schneller als ein Hai schwimmt, und jeden, der hier über Bord geworfen wird, trägt sie wie ein wildes Roß in den entferntesten Ozean. In kurzer Zeit ist er erschöpft, seine Gebeine werden zu den übrigen verstreut, und seine Seele verschlingen die Götter."

Bei diesen Worten wurde Keola von Entsetzen gepackt. Er blickte um sich, und im Licht der Sterne und der Laterne schien es, als verwandelte sich der Hexenmeister. »Was fehlt dir?" schrie Keola.

„Mir fehlt gar nichts", versetzte der Hexenmeister. „Aber einem anderen hier ist sehr übel."

Gleichzeitig wechselte er seinen Griff an der Laterne, und siehe da, als er seinen Finger aus dem Ring ziehen wollte, blieb der Finger stecken, der Ring zerbrach, und seine Hand war zur Größe von drei Händen gewachsen.

Bei diesem Anblick kreischte Keola auf und hielt sich die Hände vors Gesicht.

Aber Kalamake hob die Laterne hoch. „Sieh mir lieber ins Gesicht", sagte er. Sein Kopf war so riesig wie ein Faß, er wuchs und wuchs wie eine Wolke über dem Gebirge, und Keola saß schreiend vor ihm, während das Boot über die hohen Wogen sauste.

„Wie denkst du nun über die Ziehharmonika?" fragte Kalamake. „Möchtest du nicht doch lieber eine Flöte haben? Nein?" fuhr er fort. „Dann ist es gut, denn ich mag es nicht, wenn meine Familie in ihren Vorsätzen unbeständig ist. Aber ich sollte doch wohl besser dieses erbärmliche Boot verlassen, denn mein Umfang wird ungewöhnlich groß, und wenn wir nicht vorsichtig sind, wird es bald voll Wasser schlagen."

Damit schob er seine Beine über Bord. Dabei wurde er in Seufzer- oder Gedankenschnelle wohl um das Dreißig- bis Vierzigfache größer, so daß er bis zu den Achselhöhlen in der tiefen See stand. Sein Kopf und seine Schultern ragten wie eine hohe Insel aus dem Wasser, und die Brandung schlug und brach sich an seiner Brust wie an einem Riff. Das Boot lief immer noch auf Nordkurs, er aber streckte seine Hand aus, nahm das Dollbord zwischen Daumen und Zeigefinger und zerbrach das Boot wie ein Stück Biskuit. Keola wurde ins Meer geschleudert. Die Trümmer des Bootes zerdrückte der Zauberer in der hohlen Hand und warf sie meilenweit weg in die Nacht.

„Entschuldige, daß ich die Laterne mitnehme", sagte er, „aber ich muß noch eine lange Strecke waten, und das Land ist noch weit. Der Meeresboden ist uneben. Ich fühle die Gebeine unter meinen Zehen."

Er wandte sich um und ging mit großen Schritten davon, und jedesmal, wenn Keola in einem Wellental versank, war er verschwunden, aber wenn er auf einen Wellenkamm emporgehoben wurde, sah er ihn davonschreiten und kleiner werden. Die Lampe hielt er hoch über dem Kopf, und während er ging, brachen sich die weißschäumenden Wogen an ihm. - Robert Louis Stevenson, Die Insel der Stimmen. In: R.L.S., Erzählungen. München 1960 (zuerst 1893)

Wasser Gehen
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