assertheater Mir träumte, ich gehe ins Theater, doch da es ein Wassertheater war, führ ich in einer Gondel dahin. - Nachtblauer Himmel, schwarzblaue Flut. — Ich sah niemand, doch um mich ein stilles Gleiten der Gondeln der andern Theaterbesucher; kein Laut, nur dunkles Rauschen von Dasein, das stumm wie das schlafende Wasser war. - So kam ich an; die Gondel verhielt. - Auf dem Wasser eine Bühne, schwarz, mit unsichtbaren Kulissen, Kulissen aus Wind oder Horizont. - Die Szene war voll von Unsichtbaren, die schattenhaft ineinander vergingen; ich saß und sah ihren Spielen zu, in inniger, gelöster Ruhe, und die Nacht brach langsam herein.
Plötzlich ein Leuchten auf der Bühne, ein Flaum von Blau, sein Leuchten
schwoll an, und nun wußte ich, wie das Stück hieß: der Homunculusakt
aus Goethes Faust. — »Was gibt es denn?«
— »Es wird ein Mensch gemacht!« — »Schwester,
ach —« — »Psst!« — Im Flaum Umrisse einer Phiole; ich sah sie ertönen und
ahnte plötzlich, daß ihr Leuchten aus meiner Gondel herkam, und die Phiole
zersprang, und da wußte ich es. - Das Leuchten ergoß sich in die Flut.
- Neben mir hatte Jemand Platz genommen, ich sah ihn nicht und spürte ihn
nicht, und fühlte ihn doch bei mir sitzen, und die Gondeln rings trieben
schweigend hinaus, das Spiel war zu Ende, der Vorhang gefallen, der Himmel
sank auf das Wasser nieder, und da stieß auch
meine Gondel ab, lautlos, einsam, nur ich und der Andre, glitt hinaus ins
nachtblaue Schweigen, und von einem Glück ohnegleichen durchströmt, in
stillster, in sich geschwellter Verzückung, begriff ich, daß der Tod mich
fuhr. - Franz Fühmann, Dreizehn Träume. Berlin 1991. In: Der Mund
des Propheten. Späte Erzählungen (AtV 75, zuerst 1983)
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