asserkopf   Der Herr Graf sprach von ihm stets als vom «roten Tandschur», warum, habe ich nie begriffen, denn der Herr Doktor war nicht nur nicht rothaarig, sondern hatte überhaupt kein einziges Haar auf dem Kopf und weder Augenbrauen nftch Wimpern. Schon damals machte er auf mich den Eindruck eines Greises; — mag sein, daß es von der seltsamen Tracht einer längst vergangenen uralten Mode kam. die er jahraus, jahrein trug: einem glanzlosen moosgrünen Tuchzylinderhut, der nach oben zu ganz eng, fast spitzig wurde, einem holländischen Sammetwams, Schnallenschuhen und schwarzen Seidenkniehosen an den beängstigend kurzen und dünnen Beinchen - wie gesagt, mag sein, daß er nur deshalb so, so — «verstorben» aussah, denn seine hohe, liebliche Kinderstimme und die wundersam feingeschwungenen Mädchenlippen sprachen gegen den ersten Eindruck eines hohen Alters.

Andererseits hatte es wohl auf dem ganzen Erdenrund noch nie so erloschene Augen gegeben, wie er sie besaß.

Ohne den schuldigen Respekt verletzen zu wollen, möchte ich hinzufügen, daß er einen Wasserkopf hatte, der überdies zum Erschrecken weich zu sein schien — so weich, wie ein gesottenes abgeschältes Ei - nicht nur, was das kugelrunde, fahle Gesicht anbelangte, sondern auch im Hinblick auf den Schädel selbst. Wenigstens quoll ihm immer, so oft er den Hut aufsetzte, alsbald eine Art blutleerer Schlauch unter der Krempe ringsherum auf und, wenn er den Hut abnahm, brauchte er stets eine bedenklich geraume Zeit, bis sein Kopf glücklich die ursprüngliche Form zurückgewonnen hatte. - Gustav Meyrink, Die vier Mondbrüder. In: G. M., Der Kardinal Napellus. Stuttgart 1983. Die Bibliothek von Babel Bd. 19, Hg. Jorge Luis Borges

 

Kopf

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme