Wasserfall  (venezianischer)

 

- N. N.

Wasserfall (2)  Der Gegenstand, der zuerst in die Augen fällt, ist eine klare Wassersäule, die gegen 24 bis 30 Fus im Umfange hält, und mit reißendem Ungestüm sich über einen senkrechtstehenden Felsen, aus einer Höhe von ohngefähr 300 Fuß, herabstürzt. Am vierten Theile der Höhe trift diese Wassersäule auf ein hervortretendes Stück desselblgen Felsens, der von da an etwas abhängig zu werden anfängt, und schießt alsdann, in Gestalt einer durchsichtigen, ohngefähr 75 Fus breiten Wasser-Wand, über den hindurchscheinenden flachen Felsen-Rücken weg. Während des schnellen Herabströmen s fängt das Wasser an zu schäumen und bricht sich an jeder hervorragenden Ecke der Klippe, bis es unterhalb in ein schönes Becken stürzt, das ohngefähr 180 Fuß im Umfange halten mag und an drey Seiten durch eine ziemlich senkrechte Felsenwand eingefaßt, vorn aber von großen und unordentlich über einander gestürzten Steinmassen eingeschlossen ist. Zwischen diesen drängt es sich wieder heraus und fällt schäumend und schnell am Abhänge des Berges in die See herab. Mehr als 300 Fus weit umher fanden wir die Luft mit Wasser-Dampf und Dunst angefüllt, der von dem heftigen Falle entstehet, und so dicht war, daß er unsre Kleider in wenig Minuten dermaßen durchnäßte, als ob wir in dem heftigsten Regen gewesen wären. Wir ließen uns indessen durch diese kleine Unannehmlichkeit im geringsten nicht abhalten, dies schöne Schauspiel noch von mehrern Seiten her zu betrachten, und stiegen zu dem Ende auf die höchsten Steine vor dem Bassin. Wenn man von hier aus in dasselbe herab sähe, so zeigte sich ein vortreflicher Regenbogen, der bey hochstehender Mittags-Sonne in den Dünsten der Cascade völlig cirkelrund und sowohl vor, als unter uns, zu sehen war. Außer und neben diesem Licht- und Farben-Cirkel war der Wasserstaub mit prismatischen Farben, aber in verkehrter Ordnung, gefärbt. Zur Linken dieser herrlichen Scene stiegen schroffe braune Felsen empor, deren Gipfel mit überhängendem Buschwerk und Bäumen gekrönt waren. Zur Rechten lag ein Haufen großer Steine den, allem Anschein nach, die Gewalt des vom Berge herabkommenden Wassers zusammengethürmt hatte; über diesem hinaus erhob sich eine abhängige Felsen-Schicht zu einer Höhe von etwa 150 Fus, und auf diese war eine 75 Fuß hohe, senkrechte Felsenwand mit Grün- und Buschwerk überwachsen, aufgesetzt. Weiter zur Rechten sähe man Gruppen von gebrochenen Felsen, durch Moos, Farnkraut, Gras und allerhand Blumen verschiedentlich schattirt, und der dort herkommende Strohm ist zu beyden Seiten mit Bäumen eingefaßt, die vermöge ihrer Höhe von ohngefähr 40 Fus, das Wasser gegen die Strahlen der Sonne decken. Das Getöse des Wasserfalls ist so heftig, und schallt von den benachbarten, wiedertönenden Felsen so stark zurück, daß man keinen andern Laut dafür unterscheiden kann. Die Vögel schienen sich deshalb auch etwas davon entfernt zu halten, weiter hin aber ließ sich die durchdringend helle Kehle der Drosseln (thrusbes), die tiefere Stimme des Barth-Vogels (wattle-bird) und der bezaubernde Gesang verschiedner Baumläufer oder Baumklettrer (creepers) an allen Seiten hören, und machte die Schönheit dieses wilden, romantischen Flecks vollkommen. Als wir uns um- und dem Wasserfall den Rücken zuwandten, sahen wir die weite Bay, mit kleinen hochbewachsnen waldichten Inseln besäet, unter uns, und über selbige hinaus, an der einen Seite das feste Land, dessen hohe, mit Schnee bedeckte Berge bis in die Wolken reichten; an der ändern aber, begränzte der unabsehlich weite Ocean die Aussicht. Dieser Prospect ist so bewundernswürdig groß, daß es der Sprache an Ausdrücken fehlt, die Majestät und Schönheit desselben, der Natur gemäß zu beschreiben, und daß nur der künstliche Pinsel des auf dieser Reise mit ausgeschickten Mahlers, Herrn Hodges, allein im Stande war, dergleichen Scenen mit meisterhafter Täuschung nachzuahmen.  - (for)

Wasserfall (3)   Wild rast der Funza gegen den Berg, der kleine Fluß donnert, wie er sich der heiligen Öffnung nähert, er durchrast sie, fällt einen kleinen Absatz herunter, und da erst sieht er, was er vor sich hat nach der mühsamen Sabana: Nichts, eine weite Leere ohne Ende, Himmel und Abgrund. Das hat ihm der Gott bestimmt. Und da zögert er nicht. Über den kleinen Absatz rast er mit schwellendem Wasser, und dann geht es brausend, geöffneten Auges in die Tiefe und Leere und Weite. Himmel und Abgrund und Tod und Leben. Ein riesiger Bogen nach vorwärts. Ein Absprung, der nur Lust ist. Und dann Prasseln und Zischen und Niederstieben. Und er stiebt in einem einzigen Nebel wieder auf und feiert noch einmal den Sturz in vielen Regenbogen, begrüßt von Vögeln und Lianen.  - Alfred Döblin, Amazonas-Trilogie. Bd.1, Land ohne Tod. München 1991

Wasserfall (4, brasilianischer)  Nach einem Gebet vor der Jungfrau Maria wandern die Menschen zum Vaudouheiligtum hoch - trotz der flirrenden Mittagshitze. Reiter stürmen mit den Bewegungen von Cowboys vom Katholizismus zu den afrikanischen Göttern.

Alle tragen Kalebassen und Plastikeimer, um das wundertätige Wasser heimzubringen.

Den steilen Weg entlang Coca-Cola, Kokosnüsse, Braten. Die von den Wasserfällen Zurückkehrenden tragen heilige Kräuter auf dem Kopf.

Einige Frauen kommen ganz in Weiss, mit Schnüren um die Brüste. Andre tragen mit Mustern verzierte Jeanskleider. Die Muster heissen Veves. Sie sehen Tätowierungen ähnlich. Stammen sie von den indianischen Ureinwohnern her oder von den goldenen Plaketten der dahomeischen Könige?

Bunte Taschentücher flattern an den Stöcken, an den Gürteln, um den Kopf,

Die Farben sind bestimmten Göttern zugeordnet. Frauen ganz in rot durchbrechen die Reihen der Pilger. Die Gläubigen entzünden unterwegs an heiligen Bäumen handgeformte, gelbe Kerzen. Man nennt sie »Baleines«, »Wale«, nach dem Fett, aus dem sie gefertigt werden. In einer Furt überfällt ein Gott eine junge Frau. Sie windet sich im Wasser, lässt sich vom Strom ins Schilf treiben. Zwei Männer versuchen vergeblich, sie wieder aufzurichten. Der Gott ist stärker. Leonore fotografiert. Die Bändiger empören sich.

Ich erkläre, dass wir den Vaudou studieren wollen - und dies Bemühen, uns zu erklären, rechtfertigt uns.

An den Wasserfällen oben sind die Bäume - nach einem letzten Bemühen der katholischen Kirche, die Sitze der afrikanischen Götter zu stürzen - wieder hochgewachsen.

Tausende richten sich im kühlen Schatten zum Picknick ein und bereiten sich auf die fromme Benetzung vor. Hier zieren sich die Frauen noch, wenn auch schon »oben ohne«. Über die abrinnenden Bäche sind Bäume als Brücken gelegt. Sich an Lianen haltend balancieren die Gläubigen hinüber.

Ein erkletterter Urwald über weissem Schaum. Da sind die dreissig Meter niederstürzenden Falle. Zu ihnen hoch ein Berg aus lausenden von schwarzen Besessenen. An der Spitze winden sich einige in den Wasserstrahl hinein - einer beginnt auf einem steilen, algengrünen Abhang den Tanz des Schlangengottes vorzuführen.

Auch ich lasse das kalte Wasser auf mich niederschlagen. Auch ich schreie auf vor Angst und Begeisterung. Die Sucht, sich fallen zu lassen. Auf die Fälle zu, von den Fällen wieder weg.

Das Sonnenlicht formt einige Gruppen heraus, lässt andre zu Silhouetten erstarren. Heilige Schamlosigkeit.

Sobald die nackten Mädchen im Wasser stehen, lassen sie sich fotografieren.

Die besessenen Mütter säugen in der Gischt ihre Babys. Eingedrückte, lappige Brüste, an denen die Säuglinge mit den Zähnen reissen.

Unsexuelle Schamlosigkeit. Kein junger Mann hat einen hoch. - (xan)

 

Fluß Fallen

 

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