Wasser, kochendes    Zu Mittag stehen die Häuser und die anderen Bauten einer Ortschaft in klarem, kochendem Wasser. Über den Dächern, wo die roten Ziegel das Wasser anheizen, kann ein Betrachter die Wellen flirren und zittern sehen. Auch die Glut des farblosen Rauchs, unter dem in jeder Behausung das Fleisch für das Mahl schmort, reibt und kräuselt das Wasser. Über den Hausdächern, über dem Asphalt und über den Dächern der parkenden Wagen flimmert und dellt sich das Wasser von den Stoßen der Flammen. Das Wasser verschluckt die Geräusche der Schritte; mit gesottenem, verzerrtem Gesicht, schief den Arm vor die Augen gehoben, stampft, wer dort draußen sich aufhält, gegen die Masse. Die Lippen sind taubweiß und von den Zahnen geschält, die Pupillen sind schwarzgebrannt, über die geblähte Zunge dringt durch den weit geöffneten Mund das Wasser auch in den Rachen hinab, ohne daß der Gehende, während er ohne Einhalt dahingeht, es noch zu schlucken vermag. Er geht nicht einmal: ohne zu gehen, wird er langsam von den Fluten vorwärtsgetrieben. Die Staubschleifen über der Straße sind Tang, der sich durch das Wasser schlingt; auf dem Grunde wälzen sich lautlos Papierknäuel und von einem Fuhrwerk gestreute Büschel von Heu; die Raupen auf dem Asphalt, wiewohl sie sich bäumen und recken, bewegen dennoch die Glieder nicht mehr von selber, der Rost vielmehr, auf welchem sie liegen, krümmt und zwangt sie empor; ihre Bewegung ist geliehen wie die Bewegung des Staubs, des Heus und des Papiers.   - Peter Handke, Die Hornissen. Frankfurt am Main 1977 

Wasser Kochen

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