antstropp  Auf Fregatten und allen großen Kriegsschiffen benötigt man, wenn sie unter Segel gehen, ein starkes Tau, Kabelaring genannt, das dazu dient, den Zug der Trosse auf das Gangspill zu leiten, so daß der Anker gelichtet werden kann, ohne daß die schlammige schwere Trosse selbst um das Gangspill läuft. Wenn also das Kabel in die Klüse hereinkommt, muß stets etwas zur Hand sein, um diese wandernde Kette an das wandernde Kabelaring zu befestigen, etwas, was sich schnell darum winden läßt, um beide miteinander zu verbinden. Dieses Ding nennt man einen Wantstropp. Und was eignet sich am besten dazu? Es ist ein dünnes, spitz zulaufendes aufgedrehtes Tauende, das mit viel Sorgfalt vorbereitet ist; es ist sehr geschmeidig und legt und schmiegt sich um Trosse und Kabelaring wie eine elegant gezeichnete Strumpfbandnatter um den knorrigen Stamm eines Weinstocks. Tatsächlich, der „Wantstropp" ist der genaue Typus und das Symbol eines langen, vornehmen, geschmeidigen, sich windenden Zierbengels. Soviel über die Herkunft des Namens, den die Matrosen dem Leutnant gaben.

Aus welchem Seealkoven, aus welchem Meerjungfrauenputzwarenladen bist du, Wantstropp, wohl aufgetaucht? Mit deiner zierlichen Taille und deinen schmalen Wangen? Welche herzlose Stiefmutter hat dich hinausgetrieben, deinen Wohlgeruch in der salzigen Meeresluft zu verschwenden?

Warst du es nicht, Wantstropp, der auf der Fahrt bei Kap Hoorn durch ein Opernglas die Hermiteninsel betrachtete? Warst du es nicht, der daran dachte, dem Kapitän vorzuschlagen, man solle, wenn die Segel in einem Orkan gerefft würden, ein paar Tropfen Lavendel in ihre „Bäuche" spritzen, daß, wenn die Leinwand wieder gesetzt würde, deine Nase nicht durch ihren muffigen Geruch beleidigt würde? Ich sage nicht, daß du es warst, Wantstropp; ich frage nur mit aller Ehrerbietung.

Mit einfachen Worten: Wantstropp war einer von den Offizieren, die in ihren Jugendtagen der Anblick einer gutsitzenden Marineuniform betört hatte. Er bildete sich ein, wenn ein Seeoffizier sich gut kleide und eine hochgebildete Unterhaltung zu führen verstehe, so trage er damit im Übermaß dazu bei, die Ehre seiner Flagge hochzuhalten und den Schneider zu verewigen, der ihn einkleidete. An diesem Felsen ist mancher junge Herr gescheitert. Denn auf dem Achterdeck einer Fregatte genügt es nicht, einen von Stuitz geschneiderten Rock zu tragen, es genügt nicht, gut mit Stegen und Hosenträgern bespannt zu sein, es genügt nicht, süße Erinnerungen an Lauras und Mathilden zu haben. Es ist ein ausgesprochen hartes Leben, das verschleißt und drückt, und der Mann, der in gewisser Hinsicht nicht auch zum gemeinen Matrosen taugt, wird niemals ein richtiger Offizier. Nehmt euch das zu Herzen, ihr Marineanwärter alle. Steckt eure Arme bis zum Ellenbogen ins Pech und seht zu, wie es euch paßt, ehe ihr ein Bestallungsgesuch schreibt. Macht euch gefaßt auf weiße Böen, auf schwere Orkane und Taifune, lest Berichte von Schiffbrüchen und furchtbaren Katastrophen, vertieft euch in die Erzählungen von Byron und Bligh, macht euch vertraut mit den Geschichten der englischen Fregatte „Al-ceste" und der französischen „Medusa". Wenn ihr auch hier und da in Cadiz und Palermo an Land gehen könnt, so werdet ihr doch für jeden Tag, den ihr unter Orangen und Damen verbringt, ganze Monate lang Regen und Sturm haben.

Und sogar dabei bewährte Wantstropp sich. Aber mit all der beharrlichen Verweichlichung eines echten Stutzers fuhr er fort mit seinen Kölnisch-Wasser-Bädern und prangte mit seinen spitzengesäumten Taschentüchern im Rachen eines Sturmes. Ach, Wantstropp, dir war der Lavendel nicht auszutreiben!

Aber der Wantstropp war kein Narr. Theoretisch verstand er sein Geschäft. Jedoch ist die Theorie der Seefahrt nur ein Tausendstel dessen, was den Seemann ausmacht. Man kann ein Schiff nicht retten, indem man in der Kajüte ein Problem durcharbeitet.

Das Deck ist das Feld der Tat.

Da der Wantstropp sich seiner Unzulänglichkeit in gewissen Dingen wohl bewußt war, ergriff er das Sprachrohr - das Abzeichen des auf Deck diensttuenden Offiziers - nie ohne ein Beben seiner Lippen und einen ernsten forschenden Blick nach Luv. Er ermutigte diese alten Tritonen, die Schiemänner, mit ihm die Möglichkeit einer Bö zu diskutieren, und oft folgte er ihrem Rat, wenn es sich darum handelte, Segel zu kürzen oder zu setzen. Die geringste Gefälligkeit in dieser Beziehung wurde dankbar angenommen. Bisweilen, wenn der ganze Norden ungewöhnlich düster aussah, versuchte er mit allerlei einschmeichelnden Reden zu erreichen, daß sein Vorgänger länger auf Deck blieb, nachdem dessen Wache abgelaufen war. Wenn der Kapitän bei schönem, beständigem Wetter aus seiner Kajüte auftauchte, sah man den Wantstropp mit langen kühnen, unermüdlichen Schritten auf der Poop auf und ab gehen und mit prahlerischem Pflichtbewußtsein seine Blicke nach oben richten.

Aber all dieses Gehabe war umsonst. Er vermochte niemanden zu täuschen. Wantstropp, du weißt es sehr wohl! Wenn es sehr heftig auffrischt, wird der Oberleutnant mit seiner väterlichen Autorität sicherlich eingreifen. Jeder Mann und jeder Junge an Bord der Fregatte weiß, daß du, Wantstropp, kein Neptun bist!

Wie wenig beneidenswert ist seine Lage. Seine Mitoffiziere kränken ihn zwar nicht, aber bisweilen sind ihre Blicke wie Dolche. Die Matrosen lachen ihn nicht direkt aus, aber in dunklen Nächten höhnen sie, wenn sie das Kommando dieses Damenschneiders hören: „Großbrasse vorholen!" oder: „An die Fallen!" Bisweilen stößt der Wantstropp, um furchtbar zu erscheinen und die Männer springen zu lassen, einen Fluch aus, aber die weiche Bombe ist mit Zuckerbäckerküssen ausgestopft und platzte wie eine gequetschte Rosenknospe, die ihren Duft verbreitet. Wantstropp, Wantstropp! Nimm von einem Großtoppmann einen Rat an. Wenn diese Kreuzfahrt vorüber ist, dann fordre die See nicht weiter heraus. - (weiss)

Seeoffizier

 

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