andlungsfähigkeit  »Ich möchte nur wissen, womit wir es zu tun haben. Vielleicht gibt es nur ein paar von denen. Vielleicht sind sie aber auch schon überall.« Mit einer ausholenden Handbewegung deutete er auf die Laboreinrichtung. »Vielleicht sind die meisten Sachen hier nicht das, wofür wir sie halten - Schlimm für uns, wenn sie angreifen. Und noch schlimmer, wenn sie es nicht tun.«

»Wieso schlimmer?« Stella Morrison war verwirrt.

»Ihre Mimikry ist perfekt. Jedenfalls bei anorganischen Objekten. Ich habe durch eines von diesen Wesen durchgeguckt, Stella, als es mein Mikroskop imitierte. Es hat vergrößert, reflektiert, ließ sich scharf einstellen - wie ein ganz normales Mikroskop! Das ist eine Form von Mimikry, die alle unsere Vorstellungen übertrifft. Sie beschränkt sich nicht nur auf die äußere Erscheinung, sondern geht tiefer, sie imitiert die eigentliche Zusammensetzung des Objekts.«

»Sie meinen, eines von ihnen könnte mit uns nach Terra gelangen? In Form eines Kleidungsstücks oder als irgendein technisches Gerät?«

»Wir gehen davon aus, daß es sich um eine Art Protoplasma handelt. Eine derartige Wandlungsfähigkeit läßt auf eine sehr einfache ursprüngliche Gestalt schließen - und das wiederum deutet auf Zellteilung hin. Wenn dem wirklich so ist, dann ist ihrer Fähigkeit zur Fortpflanzung keine Grenze gesetzt. Die Fähigkeit, ihre Opfer aufzulösen, erinnert sehr an unsere Protozoen.«

»Halten Sie sie für intelligent

»Keine Ahnung. Hoffen wir, daß sie es nicht sind.« Hall hob die Gasflasche. »Jedenfalls dürfte uns das hier zeigen, wie sehr sie sich verbreitet haben. Vielleicht bestätigt es auch meine Theorie, daß sie einfach genug aufgebaut sind, um sich durch reine Zellteilung fortzupflanzen, und das wäre das Schlimmste, was uns passieren kann. - Los geht's.«

Hall hielt die Flasche fest an sich gepreßt, drückte den Abzug und schwenkte den Schlauch langsam im Labor hin und her. Commander Morrison und die vier Wachen hielten sich schweigend hinter ihm. Nichts geschah. Die Sonne schien durch die Fenster und ließ die Schälchen und Geräte aufleuchten.

Nach einer Weile nahm Hall den Finger vom Abzug.
»Ich hab nichts bemerkt«, sagte Commander Morrison.
»Sind Sie sicher, daß das funktioniert?«

»Arsenwasserstoff ist farblos. Aber öffnen Sie ja nicht Ihren Helm, das hätte fatale Folgen. Und bewegen Sie sich nicht.«

Sie standen da und warteten.

Eine Weile geschah nichts. Dann -  

»Mein Gott!« stieß Commander Morrison hervor.

Im hinteren Teil des Labors begann plötzlich ein Karteikasten zu wanken. Er quoll auf, zuckte und sackte in sich zusammen, bis er seine Form völlig verloren hatte - die homogene gallertartige Masse breitete sich auf dem Tisch aus und floß im nächsten Moment zitternd auf den Boden.

»Da drüben!«

Ein Bunsenbrenner zerschmolz und zerrann in einer Lache. Überall im Raum begannen sich Gegenstände zu regen. Eine große gläserne Retorte sackte in sich zusammen zu einem Klumpen. Ein Ständer mit Reagenzgläsern, ein Regal mit Chemikalien - »Vorsicht!« schrie Hall und machte einen Schritt rückwärts.

Eine große Glasglocke fiel vor seinen Füßen wie ein nasser Schwamm zu Boden. Es war tatsächlich eine einzige riesige Zelle. Vage konnte er den Zellkern erkennen, die Zellwand, die Vakuolen in dem Zytoplasma.

Pipetten, Zangen, ein Mörser, alles zerschmolz. Die Hälfte aller Gegenstände im Labor wurde lebendig. Sie hatten nahezu alles imitiert, was es nur zu imitieren gab. Fast jedes Mikroskop hatte sein Duplikat. Jedes Röhrchen, jedes Glas, jede Flasche, jeder Kolben - - Philip K. Dick, Kolonie. In: Kolonie. Sämtliche Erzählungen Band 2. Zürich 1999 (zuerst 1953)

Wandlungsfähigkeit (2)  Odette de Cécy, spätere Madame Swann: Die Geliebte Swanns, später seine Frau. Die äußere Erscheinung Odettes ist ein gutes Beispiel dafür, wie sehr die Liebe der Geliebten erst eine Gestalt gibt: Bevor Swann sie liebt, ist Odette aufgrund der merkwürdigen Gestaltlosigkeit ihres Gesichts gar nicht sein »Typ«: Ihre fahle Haut gibt ihr trotz ihrer Jugend ein verbrauchtes Aussehen, ihre Wangenknochen stehen extrem hervor, und ihre Augen sind so groß, daß sie an ihrer eigenen Schwere zu tragen scheinen - Odette ist die schlecht zusammengefügte Karikatur weiblicher Schönheit. Das setzt sich in ihrer Kleidung fort; die aktuelle Mode ignoriert die natürliche Anatomie des Körpers und macht aus Odette eine groteske Glieder-Puppe. Erst als Swann sie mit der Zephora Botticellis identifiziert, fügen sich die Teile zusammen und machen sie zu einer begehrenswerten, einzigartigen Frau. Allerdings bleibt sie durch den Roman hinweg eine ähnlich ungreifbare Schönheit wie  Albertine - unendlich wandelbar erscheint sie mal als »grande dame«, mal als Kokotte, mal sogar als ehemalige Prostituierte, mal als Nymphomanin, mal als Lesbe. Während jede männliche Figur des Romans - von Charlus über Elstir bis Bloch - irgendwann behaupten wird, sie besessen zu haben, kann niemand es beweisen. - Ulrike Sprenger, Proust-ABC. Leipzig 1997  

Wandlungsfähigkeit (3)  Der Trickster ist  ein Meister der Metamorphose und kann sich so auch in alle anderen erdenklichen Lebensformen verwandeln und in alter und junger Gestalt auftreten. Tokwaj, der Trickster der Mataco verwandelt sich sogar in einen Durchfall-Erreger, um den Verlobten seiner Angebeteten durch ihre Krankheit zu vertreiben. Da der Trickster auch sein Geschlecht umwandeln kann, ist ihm – oder in Einzelfällen ihr – keine sexuelle Erfahrung fremd. Als Frau erlebt der in seiner Urgestalt männliche Trickster sogar Menstruation, Schwangerschaft und Geburt.

Oft muss man über die Dreistigkeit und ungewöhnlichen Ideen des Tricksters, aber auch über seine Ungeschicklichkeit lachen und über das Pech, das er in Situationen hat, in denen er sich als der Stärkere und Klügere wähnte. Zum Beispiel wird ihm der Streich eines Kolibris, der behauptet ihm das Fliegen beibringen zu können, zum tödlichen Verhängnis. So ist er oft selber der Betrogene oder wird zum Opfer seiner eigenen Ideen und Streiche.

Spannungszustände kann der Trickster kaum ertragen. Er ist in jeder Beziehung gierig: nach Nahrung, nach Leben, nach Wissen und er besitzt eine enorme Libido. An all das gerät er meist durch Gewalt und Betrug. So sind die Mythen des Tricksters nicht nur erheiternd, sondern können auch sehr brutal sein, wenn er zum Beispiel mordet, vergewaltigt oder Kinder als Mahlzeit betrachtet. - Wikipedia

Wandlungsfähigkeit (4)

Wandlungsfähigkeit (5)   Alles Fluchen half nichts. Da versuchte das Pferd den Teufel herunterzuwerfen, es sprang von Berg zu Berg, aber der Teufel hielt sich zu fest an seiner Mähne. Da mußte es einsehen, daß alle Anstrengungen vergebens waren, es konnte auch nicht mehr, es konnte nun dem Teufel nicht mehr entrinnen. Während das Pferd nun so dahinflog, verwandelte es sich in einen Apfel. Der Apfel fiel in einen Schornstein und gelangte in ein Haus. Da verwandelte sich der Teufel sofort in einen lahmen Bettler und begab sich nach dem Haus, in das der Apfel gefallen war. »Ich bitte euch, ihr lieben Leute, gebt mir einen Apfel, gebt mir jenen dort, der ist gewiß soeben vom Baume durch die Esse gefallen, der ist für mich heruntergefallen.« Die Leute hoben ihn auf und warfen den Apfel aus dem Hause zur Tür hinaus. Wie der Teufel den Apfel durch die Luft fliegen sah, lief er hinter ihm her. Das Kind verwandelte sich nun in Hirse, als es sah, daß es dem Teufel nicht entrinnen konnte, denn der Teufel hätte den Apfel mit Strunk und Stiel verschlungen. Da verwandelte sich der Teufel in eine Glucke mit Küchlein. Diese fraßen die Hirse. Sie hatten fast alle Körnchen aufgepickt; nur zwei waren übrig geblieben, die hatten die Küchlein nicht gefunden. Da wunderte sich der Teufel, daß er das Kind doch noch nicht in seinem Besitze hatte, es mußte also doch noch ein Körnchen irgendwo liegengeblieben sein. Was sollte er nun machen? Dem Kinde wurde angst und bange, daß es doch noch aufgefressen würde, bevor es eine andere Verwandlung angenommen hätte. Doch schnell wurde es zu einem Fuchse. Und der Fuchs biß der Glucke den Kopf ab und tötete damit den Teufel. So war der Knabe doch dem Teufel entronnen.  - (zig)

Wandlungsfähigkeit (6)   Mit fünfzig Jahren können sich Füchse in Frauen verwandeln, mit hundert in Schönheiten oder in Zauberinnen. Manche verwandeln sich auch in Männer und haben Verkehr mit Frauen. Sie können Dinge aus tausend Meilen Entfernung erkennen, beherrschen die Magie, täuschen die Menschen und verwirren ihre Sinne. Mit tausend Jah­ren kom­muni­zieren sie mit dem Himmel und werden zu Himmlischen Füchsen.

 Dieses Zitat aus einem chinesischen Lexkon des zehnten Jahrhunderts umreißt die meisten Eigenschaften, die Füchsen (kitsune) auch in Japan nachgesagt werden. In beiden Ländern sind Füchse als Meister der magischen Verwandlung ein wichtiger Bestandteil der Geisterwelt. Sie können nach Belieben in die Gestalt von Menschen schlüpfen oder in Menschen illusorische Wahrnehmungen erzeugen.

Der Fuchs auf der Abbildung bedeckt etwa seinen Kopf mit einem Blatt und vollführt einen magischen Tanz. Es ist dies ein untrügliches Zeichen, dass er im Begriff ist eine andere Gestalt anzunehmen. - Quelle

Wandlungsfähigkeit (7)  Wenn Gott Mensch werden konnte, kann er auch Katze werden. - Robert Musil, Die Portugiesin. Nach: Nachwort zu (arc)


Metamorphose

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Verwandte Begriffe

Synonyme