alpurgisnacht «Heute
ist Walpurgisnacht», sagte Teirnon, «Gott soll es an mir rächen, wenn ich nicht
herausfinde, was mit dem Fohlen geschieht.»
Also ließ er die Stute hereinbringen, während er sich bewaffnete, und darauf
hielt er bei ihr Wache. Als es Nacht wurde, fohlte die Stute und brachte ein
großes Fohlen ohne Fehl zur Welt.
Teirnon fiel auf, wie groß das Tier war, aber als er sich aufrichtete, vermahm
er einen fürchterlichen Lärm. Eine gewaltige Klaue
griff durch das Fenster und packte das Fohlen. Teirnon
zog sein Schwert und hieb dem, der das Tier offensichtlich stehlen wollte, den
Arm bis zum Ellbogen ab, so daß das Fohlen und ein Teil des Arms
zurück ins Zimmer fielen. Wieder erhob sich ein großer Lärm, und zugleich hörte
er einen Schrei. Er stieß die Tür auf und sprang in Richtung auf das Geräusch
hin, aber die Nacht war stockdunkel, so daß er nichts zu erkennen vermochte.
Er wollte weiterlaufen und das Diebesgesindel verfolgen, als er sich daran
erinnerte, daß er die Tür aufgelassen hatte, und als
er deswegen umkehrte, fand er auf der Schwelle einen
kleinen Jungen in lose Tücher und einen seidenen Mantel eingehüllt. -
(
wal
)
Walpurgisnacht (2) Als die Uhr gerade zwölf
schlug, ging die Tür auf, und auf der Schwelle standen drei junge Mädchen im
bloßen Hemd, jedes mit einer brennenden Kerze in der Hand. Die Nacht war so
mondklar, daß die kleinen Flammen nur wie Tropfen von dem großen Licht draußen
aussahen. Sie hatten offensichtlich keine Ahnung, daß zwei umherziehende junge
Männer hier in der großen Stube Nachtquartier erhalten hatten, und die Gäste
lugten durch die Vorhänge des Himmelbettes in tiefem Schweigen nach ihnen aus.
Ohne einander anzusehen, und ohne ein Wort von sich zu geben, ließen sie, eine
nach der anderen, das leichte Hemd zu Boden fallen, traten ganz nackt vor den
Spiegel und starrten hinein, die Kerze hoch über dem
Kopf erhoben, in Betrachtung des Bildes versunken, das sie sahen. Dann bliesen
sie die Kerzen aus und gingen in dem gleichen feierlichen Schweigen rücklings
zur Tür, das lange, aufgelöste Haar hing ihnen am Rücken herunter, sie zogen
sich das Hemd wieder an und verschwanden. Die
Nachtigallen sangen ohne Unterlaß draußen in einem
Faulbaum dicht vor dem Fenster. -
(
blix
)
Walpurgisnacht (3, Ausschnitt)
- Uwe Bremer