Walküre   Baruch und die Walküren sind Freunde; aber ihre Freundschaft ist keine gewöhnliche, wie die zwischen Leuten, die sich hin und wieder treffen und zusammen ins Kino gehen, oder in eine nicht allzu volle Eisdiele, um über dieses und jenes zu schwatzen und sich über die Privatangelegenheiten eines gemeinsamen Bekannten zu verbreiten. Nein, ihre Freundschaft hat etwas Wildes an sich. Baruch besitzt am Ende des Tals, auf dem grünen Hang, der zum Gießbach hin abfällt, ein kleines Grundstück, das zum Teil mit Obstbäumen bepflanzt, zum Teil mit Gehölz bestanden ist. Dort treffen sich der Uhrmacher und die Walküren. Letztere kommen zu Pferd, unter ohrenbetäubendem Lärm, der das ganze Tal erzittern läßt, gepanzert, unfrisiert, schon ziemlich alt, aber immer noch munter und ausgelassen wie Schulmädchen. Der Uhrmacher erwartet sie auf einer Wiese, und die Walküren galoppieren um ihn herum wie die Indianer des Neuen Kontinents, lanzenschwingend und mit wildem Geschrei: «Hojotoho! Heiaha! Tschau, Baruch! Hojoho! Hojotoho! Heiaha!» Sie mögen ihn, schließlich kennen sie ihn von klein auf.

Nicht daß die Walküren heutzutage noch viel zu tun hätten, außer Freunde zu besuchen. Es sind ihrer sieben, alles alte Jungfern, und sie ernähren sich nur von Brot, auch von altbackenem. Daher holt Baruch immer, wenn er sie kommen hört, die Tasche mit dem alten Brot und nimmt sie mit. Und während die Walküren mit windzerzaustem weißem Haar um ihn herumtoben, bricht er das Brot in Stücke und wirft es, als wäre es für die Hühner, ein paar Meter weit von sich, und sie spießen die Brocken mit der Lanzenspitze auf.  - J. Rodolfo Wilcock, Das Stereoskop der Einzelgänger. Freiburg 1995

Göttin Walhall

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