Waldhaus    Ich lebe zusammen mit meinen drei Händen und meinem Zahnfleisch in dem schönen Haus, das jemand im Herzen des Waldes erbaut hat. Bei diesem Satz muß ich erklären, was das Herz des Waldes eigentlich bedeutet. Vielleicht ist es eine ungeschliffene Metapher; aber wahrscheinlich eher eine rohe sachliche Angabe, die nur daraufhinweisen soll, daß ich es, wie ich mich auch bewege, immer mit Eingeweiden zu tun habe. Ich weiß wahrhaftig nicht, wer eigentlich, wenn überhaupt irgendwer, dieses schöne fest gefügte und verschwiegene, einsame und lebenslustige Holzhaus mit seinen bräutlichen Gerüchen und Geräuschen gebaut hat, in dem ich in gewissem Sinn wohne. Ich kann mich weder an Eltern noch an Vorfahren entsinnen, die an diesen Bau hätten Hand anlegen können: Meiner Ansicht nach ist er vollkommen, von einer sich selbst nicht bewußten, hartnäckigen, immerwährenden Vollkommenheit. Das Haus besetzt einen Raum, den der Wald, jenes unreine, ängstliche Herz, seit undenklichen Zeiten nicht mehr für sich beansprucht. Das Haus, vermute ich, entstand erst nach einer archaischen Vereinbarung, kraft derer der Wald darauf verzichtet hat, in diesem Teil seiner selbst zu existieren.  - Giorgio Manganelli, Kometinnen und andere Abschweifungen. Berlin 1997
 

Wald Haus


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