achtelfutter   »Mein Diener wird den Kaffee wie bisher abholen«, sagte der bärtige Kunde und nahm eine Münze aus einer wunderschönen, aus Metall gearbeiteten Geldbörse. Als offensichtlichen Hintergedanken schoß er die Frage ab: »Haben Sie vielleicht Wachtelfutter?«

»Nein«, sagte der Kaufmann, ohne zu zögern, »Wachtelfutter haben wir leider nicht vorrätig.«

vWas wird er als nächstes abstreiten?‹ fragte sich Mrs. Greyes. Was die ganze Angelegenheit noch erheblich schlimmer zu machen schien, war die Tatsache, daß Mr. Scarrick erst kürzlich einem Vortrag über Savonarola präsidiert hatte.

Nachdem er den hohen Astrachankragen seines langen Mantels hochgeschlagen hatte, rauschte der Fremde aus dem Laden; wie Miss Fritten es später schilderte, hatte er dabei die Art eines Satrapen, der einen Sanhedrin vertagt. Ob eine derart erfreuliche Aufgabe jemals in den Bereich eines Satrapen fiel, ist zwar nicht ganz gewiß, aber das Gleichnis drückte dennoch ihre Ansicht so deutlich aus, daß auch ein größerer Kreis von Bekannten sie verstand.

»Ich finde, wir lassen den Zug um 3:12 sausen«, sagte Mrs. Greyes, »und gehen statt dessen zu Laura Lipping, wo wir in Ruhe darüber sprechen können. Sie ist heute an der Reihe.«

Als der Junge mit dem dunkelhäutigen Gesicht am folgenden Tag mit seiner messingnen Einkaufsschale im Laden auftauchte, befand sich dort bereits eine beachtliche Zahl von Kundinnen, von denen die meisten ihre Besorgungen in der Art von Menschen ausdehnten, die mit ihrer Zeit kaum etwas anzufangen wissen. Mit einer Stimme, die im ganzen Laden deutlich zu verstehen war — vielleicht lag der Grund auch darin, daß alle gespannt zuhörten -, verlangte der Junge ein Pfund Honig und ein Paket Wachtelfutter.

»Schon wieder Wachtelfutter!« sagte Miss Fritten. »Entweder sind Wachteln maßlos gefräßig — oder es ist gar kein Wachtelfutter.«

»Meiner Ansicht nach geht es um Opium, und der Bärtige ist ein Kriminalist«, sagte Mrs. Greyes mit glänzender Logik.

»Das glaube ich nicht«, sagte Laura Lipping. »Ich bin überzeugt, daß es irgendwie mit dem portugiesischen Thron zu tun hat.«

»Wahrscheinlicher ist, daß es sich um eine persische Verschwörung zugunsten des Ex-Schahs handelt«, sagte Miss Fritten, »und der Bärtige gehört zur Partei der Regierung. Das Wachtelfutter ist natürlich nur ein Kennwort: Persien liegt fast direkt neben Palästina, und wie Sie wissen, kommen Wachteln bereits im Alten Testament vor.«

»Aber nur als Wunder«, sagte ihre gutinformierte jüngere Schwester. »Und ich habe immer geglaubt, sie gehörten zu einer Liebesintrige.«  - Saki, Die offene Tür. Zürich 1973 (Mit Zeichnungen von Edward Gorey)

 

Futter Wachtel

 

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