achsein   René Descartes fragte sich, ob er sicher sein könne, daß er nicht träume. "Denke ich einmal aufmerksamer hierüber nach, so sehe ich ganz klar, daß Wachsein und Träumen niemals durch sichere Kennzeichen unterschieden werden können - so daß ich ganz betroffen bin und gerade diese Betroffenheit mich beinahe in der Meinung bestärkt, daß ich träumte." -  Einsicht ins Ich. Fantasien und Reflexionen über Selbst und Seele.  Hg. Douglas R. Hofstadter und Daniel C. Dennett.  München 1992

Wachsein (2)  Betrachten wir  den Wachzustand. Ich kann nicht umhin, ihn für ein Interferenz-Phänomen zu halten. Nicht nur zeigt der Geist in diesem Zustand eine merkwürdige Tendenz zur Verwirrung (hierher gehören das Versprechen und alle Arten der Fehlleistung, deren Geheimnis man jetzt auf die Spur zu kommen beginnt), sondern es scheint auch, daß er in normaler Funktion nicht ausschließlich solchen Suggestionen aus tiefer Nacht folgt, aus der ich ihn herleite. So gut ausgebildet er auch ist, sein Gleichgewicht ist relativ. Kaum wagt er es, sich auszudrücken, und wenn er es tut, dann beschränkt er sich auf die Feststellung, daß jene Idee, jene Frau Eindruck auf ihn macht. Aber er wäre keineswegs fähig, zu sagen, welchen Eindruck; er beweist hier den Grad seiner Subjektivität, weiter nichts. Jene Idee, jene Frau berührt ihn, bestimmt ihn, weniger starr zu sein. Für einen Augenblick bewirkt sie, daß er, von seiner Auflösung getrennt, sich als schöner Niederschlag, der er sein kann, der er ist, im Himmel absetzt. Weil er keine Erklärung weiß, beschwört er dann den Zufall, eine dunklere Gottheit als jede andere, schreibt ihm alle seine Verwirrungen zu. Wer kann behaupten, daß der Blickwinkel, unter dem ihn diese Idee berührt, daß das, was er in den Augen jener Frau liebt, nicht eben das ist, was ihn mit seinem Traum verbindet, ihn an Gegebenheiten kettet, die ihm durch eigene Schuld entfallen sind? Und wäre es nicht so, zu was wohl wäre er nicht imstande?  - André Breton, Die Manifeste des Surrealismus. Reinbek bei Hamburg 1986 (hier: 1. Manifest 1924. rde 434)

Wachsein (3)  

Wachsein (4)  Wenn etwas in der wachen Welt dem Traumzustand nahekommt, so ist es eine große Stadt, in der man niemanden kennt, oder die afrikanische Nacht. Auch da ist unermeßliche Freiheit, auch da geschehen ringsum Dinge, bilden sich Schicksale; überall wird etwas getan, und doch geht es einen nichts an.  - (blix2)

Wachsein (5)  Allerdings ist übermäßiges Wachen weit häufiger Symptom und Ursache der Melancholie als zuviel Schlaf. Es trocknet das Gehirn aus, das in Wahnsinn und Umnachtung verfällt, und läßt nach Lemnius auch den Körper trocken, mager, knochig und unansehnlich werden. Der Geist verwirrt sich, die Säfte verkochen, die Augen sinken in den Kopf, die Galle nimmt überhand, und der ganze Körper entzündet sich. - (bur)

Wachsein (6, geträumtes)   Ich träumte, daß ich aus einem anderen - von Zusammenbrüchen und Tumulten wimmelnden - Traum zu mir kam und in einem unerkennbaren Zimmer erwachte. Es dämmerte: Ein verhaltenes neutrales Licht umzeichnete den Fuß des eisernen Bettes, den strengen Stuhl, die Tür und das Fenster, beide geschlossen, den nackten Tisch. Ich dachte voll Angst Wo bin ich? und begriff, daß ich es nicht wußte. Ich dachte Wer bin ich? und konnte mich nicht wiedererkennen. Die Angst in mir wuchs. Ich dachte: Dieses trostlose Wachsein ist bereits die Hölle, dieses ziellose Wachsein wird meine Ewigkeit sein. Dann erst wachte ich wirklich auf: bebend.  - Jorge Luis Borges, Kabbala und Tango. Essays. Frankfurt am Main 1991
 

 

Bewußtsein Träumen

 

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Schlafen
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