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Vulgarität (2) Die Frauen aus der Humboldtstraße
rufen ihre Jungen Toto, Coco oder Pepo und ihre Mädchen Spatz oder Schatzilein,
aber in unserer Familie existiert dieser geläufige Typ von Kosenamen
nicht und erst recht nicht so ausgefallene und überkandidelte Namen wie Rabenaas,
Krot oder Schinderhannes, die nach den Vierteln Paraguay und Godoy Cruz zu im
Schwange sind. Als ein Beispiel für die Vorsicht, die uns in diesen Dingen leitet,
wird es genügen, den Fall meiner zweiten Tante zu zitieren. Sichtlich ist sie
mit einem Hintern von imposanten Ausmaßen gesegnet;
dennoch hätten wir uns niemals erlaubt, der leichten Versuchung gebräuchlicher
Spitznamen nachzugeben; so einigten wir uns, anstatt ihr den brutalen Spitznamen
Etruskische Amphore zu geben, auf den sehr dezenten und traulichen Beinamen
Riesenarsch. Immer gehen wir mit gleichem Takte vor, obwohl wir des öfteren
mit Nachbarn und Freunden streiten müssen, die auf den herkömmlichen Spottnamen
bestehen. Für meinen jüngsten Vetter zweiten Grades, den ein wahrer Kürbis ziert,
lehnten wir stets den Spitznamen Atlas ab,
den sie ihm in der Bratrösterei an der Ecke gegeben hatten, und ziehen den unendlich
delikateren Spitznamen Pöttchen vor. Und so immer. - (
cron
)
Vulgarität (3) Cavanna legt sich mit allen
an; und das mit einer Vulgarität, die man klassisch nennen könnte. Aber er hat
natürlich seine bevorzugten Zielscheiben: Priester,
Polizisten, Bürger. Die
letzte Nummer von Charlie Hebdo zeigt das Bild eines Polizisten, und
der Text dazu lautet: »Rächen wir Aldo Moro! Ermorden wir einen flic!«
Außerdem hat er ein paar fixe Ideen. Am hartnäckigsten wiederholt er die folgende:
Ich weiß sehr wohl, was die Rechte ist, und ich mag
sie nicht; die Linke würde mir gefallen, wenn mir nur
jemand sagen könnte, wie und wo ich sie finden kann. -
(scia)
Vulgarität (4) Der Kriegsdienst für das Land der Zulu, die Bereitschaft, dafür und für den König zu sterben, das war ihr primitives Ideal. Sie waren ein grimmiges Volk, aber auch loyal, und fürchteten weder Verwundung noch Verderben. Wenn sie den dunklen Deutungen des Medizinmanns lauschten, so tönte der Posaunenstoß, der sie zur Pflicht rief, noch lauter in ihren Ohren. Wenn sie ihr schreckliches »Ingoma« sangen, rückten sie auf des Königs Geheiß aus, um unbarmherzig zu töten. Wenigstens waren sie nicht gemein oder vulgär. Wer unentwegt den letzten Dingen, dem Tod ins Auge blickt, von dem rückt alles Gemeine oder Vulgäre ab. Diese Eigenschaften gehören vielmehr in die sicheren, überfüllten Stätten der Zivilisation, nicht in die Krale der Bantuneger, wo man sie zumindest damals vergeblich suchte.
Jetzt ist alles anders, wie man hört, und das ist unterm Strich besser so.
Dennoch darf man sich fragen, was im Kopf eines alten Kriegers von Chaka oder
Dingaan vorgeht, wenn er, in der Sonne badend, beispielsweise dort kauert, wo
einst der königliche Kral Duguza stand, und den Männern und Frauen des Zuluvolkes
zusieht, die von den Städten oder Bergwerken heimgehen, die nicht selten vom
geschmuggelten Schnaps des weißen Mannes angeheitert sind, die grotesk daherkommen
in den abgelegten Lumpen des weißen Mannes und in ihren Decken womöglich jene
unheimlichen Fotografien des weißen Mannes verstecken, wenn er dann die eingefallenen
Augen schließt und sich an die federgeschmückten, geschürzten Regimenter erinnert,
die dasselbe Stück Erde zum Beben gebracht haben, wenn sie, zum Gruße stampfend,
Reihe um Reihe und Haufen um Haufen in die Schlacht gezogen sind. -
Henry Rider Haggard, Kind des Sturms. München 1990 (zuerst 1013)
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