orurteil   Im Mittelalter und zu Zeiten der Hungersnot hat man auch bei uns Heuschrecken als Nahrungsmittel verwendet, aber so recht in Aufnahme gekommen sind sie als solches doch nie. Zwar behauptet der englische Naturforscher Shepard, der sich der Wissenschaft halber Graspferde in Butter braten ließ, daß sie sehr wohlschmeckend seien, aber er wird sie trotzdem schwerlich als ständiges Gericht auf seinem Familientische eingeführt haben. Eigentlich ist es ja merkwürdig, daß der Kulturmensch gegen den Genuß von Kerbtiereen einen so starken und allgemeinen Widerwillen hegt. Krebse sind doch wahrhaftig auch nicht schöner, und Austern erst recht  nicht. - Kurt Floericke, Heuschrecken und Libellen (1922)

Vorurteil (2)  Die verlustreichen und äußerst blutigen Kämpfe am Pasubio und am Col di Lana zeigten, daß wenigstens das Märchen von der Unmöglichkeit des Einsatzes größerer Truppenformationen in den Kämpfen im Hochgebirge eines guten Todes gestorben war. - Nach: Uwe Nettelbeck, Der Dolomitenkrieg. In: U. N., Mainz wie es singt und lacht Die Ballonfahrer Briefe Mainz bleibt Mainz Gespenstergeschichten Der Dolomitenkrieg Nachträge Frankfurt am Main 1976 (entst. 1969-1976)

Vorurteil (3)  Studer  horchte nur zerstreut auf die Namen, die ihm genannt wurden. Der zweite Weißkittel war offenbar ein Welscher, denn er sagte »Enchanté, inspecteur!«, und dann, die zwei andern in weißen Mänteln, das waren ja, my Gotts tüüri, Frauenzimmer! Studer wurde förmlich und kalt. Er hatte eine ausgesprochene Antipathie gegen berufstätige Frauen. Die beiden waren auch nicht weiter interessant. Eher farblos. Trugen grobe Halbschuhe mit Gummisohlen und Baumwollstrümpfe über ziemlich dürren Waden.  - Friedrich Glauser, Matto regiert. In: F. G.: Kriminalromane. Berlin 1990 (zuerst ca. 1936)

Vorurteil (4)  Stellen Sie sich einmal vor, Sie stecken in Höhe der Ohren Ihre Zeigefinger etwa fünf Zentimeter weit in den Kopf. Dann können Sie - theoretisch natürlich - das limbische System mit Ihren Fingerspitzen kitzeln. Hier werden Ihre Sinneseindrücke gefiltert und emotional bewertet, die einlaufenden Daten mit Gedächtnisinhalten abgeglichen. So entsteht ein scheinbar wohlgeordnetes inneres Bild von der Welt. Wie wenig dies unter Urnständen mit der äußeren Realität übereinstimmt oder daß es gar in die Irre führen kann, zeigen etwa die immer wieder verblüffenden optischen Täuschungen oder ungewöhnliche Patienten wie die von Vifajanur Ramachandran. Offenbar wird im Gehirn für jeden erlebten Augenblick aus der Erfahrung eine erwartete Wirklichkeit berechnet. Wir haben alle angeborene und erworbene Vorurteile über die Beschaffenheit der Welt im Kopf. Bei einer zu starken Abweichung von erwarteter und aktueller Wirklichkeit ertönt ein Alarmsignal. . - (kopf)

 

Urteil

 


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