orsehung
Der Glaube an eine specielle Vorsehung, oder sonst eine übernatürliche
Lenkung der Begebenheiten im individuellen Lebenslauf, ist zu allen Zeiten allgemein
beliebt gewesen, und sogar in denkenden, aller Superstition
abgeneigten Köpfen findet er sich bisweilen unerschütterlich fest, ja, wohl
gar außer allem Zusammenhange mit irgend welchen bestimmten Dogmen. - Zuvörderst
läßt sich ihm entgegensetzen, daß er, nach Art alles Götterglaubens, nicht eigentlich
aus der Erkenntniß, sondern aus dem Willen entsprungen,
nämlich zunächst das Kind unserer Bedürftigkeit sei. Denn die Data, welche bloß
die Erkenntniß dazu geliefert hätte, ließen sich vielleicht darauf zurückführen,
daß der Zufall, welcher uns hundert arge, und wie durchdacht tückische Streiche
spielt, dann und wann ein Mal auserlesen günstig ausfällt, oder auch mittelbar
sehr gut für uns sorgt. In allen solchen Fällen erkennen wir in ihm die Hand
der Vorsehung, und zwar am deutlichsten dann, wann er, unserer eigenen Einsicht
zuwider, ja, auf von uns verabscheuten Wegen, uns zu einem beglückenden Ziele
hingeführt hat; wo wir alsdann sagen tunc bene navigavi, cum naufragium feci
[Damals bin ich glücklich gefahren, als ich den Schiffbruch
erlitt], und der Gegensatz zwischen Wahl und Führung ganz unverkennbar, zugleich
aber zum Vortheil der letzteren, fühlbar wird. Eben dieserhalb trösten wir,
bei widrigen Zufällen, uns auch wohl mit dem oft bewährten Sprüchlein »wer weiß
wozu es gut ist«, - welches eigentlich aus der Einsicht entsprungen ist, daß,
obwohl der Zufall die Welt beherrscht, er doch den Irrthum zum Mitregenten
hat und, weil wir Diesem, eben so sehr als Jenem, unterworfen sind, vielleicht
eben Das ein Glück ist, was uns jetzt als ein Unglück erscheint. So fliehen
wir dann vor den Streichen des einen Welttyrannen zum andern, indem wir vom
Zufall an den Irrthum appelliren.
- Schopenhauer, Über die
anscheinende Absichtlichkeit im Schicksale des Einzelnen
Vorsehung
(2) Erst von meinem Mann habe ich erfahren, daß Heinrich
tatsächlich ein großer Schriftsteller ist ... und mein Mann erzählte mir weiter,
wie sie den Wenzelsplatz hinuntergingen und weiter durch die Vodicková in die
Jáma-Gasse, wo sie bei Kerzenlicht in einem Restaurant saßen und ein Bier
trinken wollten, Heinrich nippte jedoch nur daran, er ließ sein Glas stehen,
und so trank mein Mann es aus, weil Heinrich Böll sagte, seine Leber sei im
Eimer, er trinke lieber Limonade, mit der er wieder so ein Pulver aus einem
gefalteten Papier herunterspülte und sich dabei die Knie bestreute. Und Heinrich
führte das Gespräch weiter, es war eigentlich kein Gespräch mit mir, sagte mein
Mann, Böll beichtete vielmehr, er klagte sich
an, weil ihm bewußt wurde, daß die Wehrmacht diesen zweiten Krieg verloren hatte
und mit dieser Niederlage die Sowjets bis nach Prag gerufen hatte, zum zweiten
Mal nach Prag ... und einmal, und es wird nicht mehr lange dauern, werden diese
Armeen bis an den Rhein vorstoßen ... Mein lieber Bohumil ... sagte Heinrich
in der Jáma-Gasse leise, jetzt habe ich sie gesehen, diese sowjetischen Soldaten
... und selbst wenn wir an der Ostfront alle so standhaft gekämpft hätten wie
die Löwendivision aus Pommern ... wie die standhafteste Division aus Pommern,
die Division der Langen Beine ... hätten wir verlieren müssen, weil diese Vorsehung,
auf die Hitler sich berief ... der böhmische Feldwebel, wie Hindenburg ihn aus
Spaß oder aus Dummheit nannte ... weil diese Vorsehung auf die sowjetische Armee
wies, daß sie als Siegerin hervorgehen würde ... mein lieber Bohumil ... -
(
hra4
)
Vorsehung (3)
Vorsehung (4) Er bat sie, ihm zu glauben, daß er nichts verdienen könne. Hatte er nicht beim bloßen Versuch schon ein gewisses Vermögen verloren? Er bat sie zu glauben, er sei für den Ruhestand geboren. Denn es war nicht nur ein wirtschaftliches Problem. Es gab metaphysische Erwägungen, in deren Dunkelheit klar wurde, daß die Nacht gekommen war, in der kein Murphy arbeiten könnte. War Ixion irgendwie verpflichtet, sein Rad in einem guten Betriebszustand zu erhalten? Hatte man Tantalus irgendwie genötigt, Salz zu essen? Nicht daß Murphy wüßte.
«Wir können aber ohne Geld nicht weiterkommen», sagte Celia.
«Die Vorsehung wird vorsehen», sagte Murphy.
Die unerschütterliche Nachlässigkeit der vorsehenden Vorsehung reizte sie
zu Ekstasen. - (mur)
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