ornehmheit   Ein emsiger Reporter entdeckte eines Tages die Sache mit den bemalten Genitalien meines Vaters. Nun hat es bemalte Genitalien schon immer gegeben - doch überbot mein Vater jedwedes Maß: hervorragende Miniaturisten, Allegoriker, japanische Miniaturologen sowie Chromatologen hatten seine Schamteile in ein schillerndes, zugleich faszinierendes und abstoßendes Museum verwandelt. In jener Zeit war meine Mutter gerade einem sexuell abstinenten Gott begegnet, weshalb sie die bizarre Entwicklung im Geschmack meines Vaters nicht verfolgte, bei der meiner Ansicht nach auch verschwommen mystische Elemente nicht fehlten. Die Sache wurde publik und meine Mutter erfuhr davon durch das Radio, in dem sie wohnte. In ihrer Ehre als Frau und gläubige Christin gekränkt, veranstaltete sie einen Riesenkrawall. Damals war es auch, daß ich begann, meinen Vater zu schlagen, bis ich ihn eines Tages in sinnloser Wut mit Scherenstichen, Bissen und Rasiermesserhieben gänzlich und endgültig kastrierte. Als ich meinen bluttriefenden Mund von Papa erhob, merkte ich an seinem erstaunten Blick, daß ich zu weit gegangen war. Für dies eine Mal beschämte mich mein Vater durch seine Vornehmheit. »Ist es die Möglichkeit«, sagte er nur, während er die Fleischstückchen aufsammelte und ging.   - Giorgio Manganelli, Unschluß. Berlin 1978 (Wagenbach Quarthefte 82, zuerst 1976)

Vornehmheit (2) "Ich muß dir zu wissen tun, Sancho, es gibt zweierlei Art von Familien und Geschlechtern auf der Welt; die eine Art entnimmt und leitet ihre Abstammung von Fürsten und Monarchen, und die Zeit hat sie nach und nach zunichte gemacht, und sie endigen in einer Spitze gleich einer Pyramide; die andre hat ihren Ursprung von geringen Leuten gehabt und steigt von Stufe zu Stufe, bis ihre Abkömmlinge zuletzt zu großen Herren werden. Sonach ist der Unterschied, daß die einen waren, was sie nicht mehr sind, und die andern sind, was sie vorher nicht waren; und ich könnte ja zu den letzteren gehören, so daß nach gründlicher Erforschung mein Ursprung vornehm und ruhmreich gewesen wäre, womit sich der König, der mein Schwiegervater werden soll, zufriedengeben müßte. Und wenn nicht, muß mich die Prinzessin so heiß lieben, daß sie trotz ihrem Vater, wenn sie auch klärlich wissen sollte, ich sei eines Wasserträgers Sohn, mich zu ihrem Herrn und Gemahl annehmen wird; und wo nicht, so tntt hier der Fall ein, daß ich sie entführe und sie hinbringe, wohin es mich gerade gelüstet, und die Zeit oder der Tod wird dem Zürnen ihrer Eltern ein Ende machen."

"Hier  tritt  dann wohl  auch  der  Fall  ein",  sagte  Sancho, „wovon etliche Gottlose so reden: Erbitte nicht gütlich, was du mit Gewalt nehmen kannst."  - (donq)

 

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