Vorname  Die Versuchung des Fleisches ist mir nicht fremd. Ich gestehe, daß ich ihr fast täglich erliege (außer Freitag, wo wir Fisch haben), der Schlackwurst, dem kleinen Frühstücksgulasch.

Im Garten meines Metzgers hängen an einem Pfahl luftballongleich die Wursthäute, sinnverwirrend. Därme, gereinigt natürlich, und fast durchsichtig. Gelungen. Ich las in einer Tiertheologie, die Aufgabe des Menschen sei es, alle Tiere zu Haustieren zu machen. Welche Aussichten, und für wen!

Da also, am Garten meines Metzgers, gehe ich täglich vorbei, und von den theologischen Erwägungen abgesehen denke ich täglich acht Minuten, das heißt bis zum Bahnhof, darüber nach, wie der Vorname der Allmutter Natur heißt. Ich habe an diese Frage, wenn ich es zusammenzähle, schon eine erstaunliche Zeit verwendet, ich gehe seit zehn Jahren zum Bahnhof, und am Ende haben sich drei Namen herauskristallisiert: Ellfrihde, Walltrautt und Ingeburck. Noch zehn Jahre und der Name ist eindeutig.  - (eich)

Vornamen (2) Em Fortaleza interviwte ich Josy, eigentlich Josilene. Der name kam zustande weil der papai José hisz und die mama Leni. Die names der eltern zu combinar, machen die nordestinos, die nordöstler, gern. Manchmal aus ganzen namen, manchmal aus silben – alle möglichen combinacionen. Stell dir vor, das macht schole em Alemanha: die tochter von Torsten und Charlotte heisst dann Torte, die von Tomas und Renate heisst Tomate, die von Anna und Jonas Annanas. Der son von Carla und Oskar heisst Caos, der von Birgit und Edmund wird zum Birmund. Jakob und Emma nennen ire tochter Jamma, Christoph und Ilse nennen die irige Chrise, und noch schlimmer, Bettina und Klaus nennen ir armes kind Bettlaus. Gut wek kommt nur der son von Astrid und Ronald, der wird zum Astronald. - Zé do Rock

Vornamen (3) Als René Lantulé sich in Claude Bédale verliebte - seit einigen Wochen schrieben sie sich über die Kleinanzeigen der »Kino-Revue« - wußte er noch nicht, daß Claude ein junger Mann war. Sie schrieben beide überaus zärtliche Briefe; sie liebten die gleichen Filmstars, übten die gleichen Sportarten aus, schwärmten beide fürs Ballett... ein Idyll ohne den geringsten Schatten einer Wolke, Claude lebte in der Provinz und kam nur selten nach Paris; er hatte wohl Rene ein Foto von sich geschickt, aber da er das Haar recht lang trug, schloß Rene, durch die herrschende Mode verbildet, daß es sich um ein (für die Provinz) ziemlich emanzipiertes Mädchen handelte, das sich die Haare hatte schneiden lassen und dies vor den Eltern verheimlichte. Die Handschrift der Briefe, wird man sagen, hätte Rene aufklären können ... aber er fand seine eigene Schrift zu ungleichmäßig, um noch die Stirn zu haben, in der Hinsicht irgendwas zu merken. Ihre briefliche Leidenschaft dauerte schon lange; da geschah es, daß eine kleine Erbschaft Claude zu einem Aufenthalt von einiger Wichtigkeit in der Hauptstadt zwang; außer sich vor Freude erschien Rene mit einem Blumenstrauß am Bahnhof. Natürlich erkannte er Claude nicht, da er erwartet hatte, ein junges Mädchen zu sehen, aber Claude, der wußte, was er wollte. Und so kam es, daß die beiden Freunde ohne Umschweife einen gemeinsamen Hausstand gründeten, was ja in unseren Tagen, die von der großen Freizügigkeit des Geistes geprägt sind, eine überaus gängige Angelegenheit ist. Rene hegte zwar zu Beginn noch einige Skrupel, aber Claude wies ihn darauf hin, daß man seines Wissens laut »Samedi-Soir« nur noch Homosexuellen im St. Germain-des-Prés begegne, im »Florette«, bei »Tante Blanche« und auf dem »Montata«, und daß eine Mode, die in so weitgehendem Maße von einem beträchtlichen Teil der intellektuellen und künstlerischen Jugend mitgemacht werde, nicht ohne ernsthafte Grundlagen existieren könne. Schritt für Schritt fand sich René mit der Sache ab, und bald waren Claude und er eines jener netten kleinen Homosexuellen-Pärchen, die der französischen Tradition von Treue und Konformismus zur Ehre gereichen.  - Boris Vian, Der Voyeur. 13 unanständige Geschichten.  Berlin 1989  (zuerst ca. 1955)
 
 

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