orangehen
Jenseits der Fünfzig beginnen wir bei den Toden anderer nach und
nach zu sterben. Die großen Magier,
die Schamanen der Jugend, gehen einer nach dem anderen
fort. Wir dachten vielleicht gar nicht mehr viel an sie, sie hatten mit der
Geschichte nicht Schritt gehalten; other voices, other rooms nahmen uns
in Anspruch. Doch irgendwie waren sie immer da, nur eben wie Bilder, die man
nicht mehr so betrachtet wie am Anfang, wie Gedichte, die nur vage die Erinnerung
durchduften.
Und dann kommt der Tag - jeder wird seine geliebten Schatten, seine großen Fürbitter haben -, da der erste von ihnen in entsetzlicher Weise die Zeitungen und das Radio beherrscht. Vielleicht dauert es etwas, bis wir merken, daß an diesem Tag auch unser eigenes Sterben begonnen hat; ich empfand das an dem Abend, als jemand während des Essens beiläufig eine Nachricht des Fernsehens erwähnte: in Milly-la-Forêt war soeben Jean Cocteau gestorben. Da sank auch ein Stück von mir inmitten der üblichen Redensarten leblos auf den gedeckten Tisch.
Die anderen sind ihm gefolgt, alle in der gleichen Weise, immer das Radio
oder die Zeitungen, Louis Armstrong, Pablo Picasso, Strawinsky, Duke Ellington,
und gestern abend, während ich mit starkem Husten in Havanna im Krankenhaus
lag, gestern abend, in der Stimme eines Freundes, die mir den Lärm der Welt
da draußen ans Bett brachte, starb Charlie Chaplin. Ich werde dieses
Krankenhaus verlassen. Ich werde es als geheilt verlassen, das ist sicher, aber
zum sechsten Mal etwas weniger lebendig. - Julio Cortázar, Ende der Etappe. Die Erzählungen Bd. 4.
Frankfurt am Main 1998
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