ogelscheuchenapokalypse Leicht apokalyptisch ging es zu: Amsel löste sein Lager in Folcherts Schuppen auf. Das heißt, Matern schloß das Vorhängeschloß auf, und erstaunlich viele Hilfswillige trugen die Materialien des Posamentenmachers - so wurde Amsel in den Dörfern genannt - an die frische Luft: vier angefangene Scheuchen, Bündel Dachlatten und Blumenleisten. Kapok wurde zerrupft. Matratzen erbrachen Seegras. Roßhaar sprang aus Sofakissen. Die Sturmhaube, die schöne Allongeperücke aus Krampitz, der Tschako, die Kiepenhüte, Plumagen, Schmetterlingshauben, Filz-Stroh-Velourshüte, der Kalabreser und der Wellingtonhut, die Tiedes aus Groß-Zünder gespendet hatten, alles, was einen Scheitel schützen mag, wanderte von Kopf zu Kopf aus dem Schuppendämmer in honiggelben Sonnenschein: «Posamentenmacher Posamentenmacher !» Amsels Kiste, deren Inhalt hundert putzsüchtige Dienstbolzen närrisch gemacht hätte, goß Rüschen, Paletten, Straßperlen, Bordüren, Spitzengewölk, Sofaschnüre und nelkenduftende Seidenquasten aus. Was Beine und Arme hatte, alle, die dem Posamentenmacher helfen wollten, zogen an und aus, warfen auf den Haufen: Jumper und Sakkos, Pantalons und die laubfroschgrüne Litewka. Ein durchreisender Molkereivertreter hatte Amsel die Zuavenjacke geschenkt und ein pflaumenblaues Gilet. Hiiih, das Korsett, das Korsett! Zwei wickelten sich in den Blüchermantel. Tanzwütige Bräute in Lavendel atmendem Brautstaat. Sackhüpfen in Beinlingen. Lindgrün schrie das Chemisenkleid. Der Muff ein Ball. Junge Mäuse im Cape. Ecklöcher. Kragenlos. Beffchen und Schnurrbartbinden, Stoffveilchen, Wachstulpen, Papierrosen, Schützenfestorden, Hundemarken und Stiefmütterchen, Schönheitspflästerchen, Mottensilber. «Posamentenmacher Posamentenmacher!» Wem das Schuhzeug paßte und nicht paßte, der schlüpfte oder zwängte sich in Galoschen, Laschenschuhe, Buschetten, Schnür- Zug- und Stulpenstiefel, trat mit Schnabelschuhen durch tabakbraune Gardinen, sprang schuhlos aber mit Gamaschen versehen durch die Vorhänge einer Gräfin, Fürstin oder gar Königin. Preußisches, Kujawisches, Freistädtisches fiel zu Häuf: Welch ein Fest in den Brennesseln hinter Folcherts Schuppen: «Posamentenmacher Posamentenmacher!» Und zuoberst, auf dem immer noch mottenspendenden Klumpatsch, stand, bohnenstangengestützt, das öffentliche Ärgernis, der Kinderschreck, Baal, geteert und gefedert, der Große Vogel Piepmatz.
Fast senkrecht scheint die Sonne. Von Kriwes Hand mit
Kriwes Sturmfeuerzeug entzündet, greift das Feuer schnell um sich. Alle
treten paar Schrittchen hinter sich, bleiben aber und wollen Zeuge der
großen Verbrennung sein. Während Walter Matern, wie immer bei
Staatsaktionen, geräuschvoll tut und durch bloßes Zähneknirschen
das Prasseln zu übertönen versucht, steht Eduard Amsel,
«Posamentenmacher» genannt, und von Zeit zu Zeit, auch während der
lustigen Verbrennung, «Itzich» gerufen, lässig auf Sommersprossenbeinen,
reibt eifrig die gepolsterten Handballen aneinander, verkneift die
Äugelchen und sieht etwas. Kein grüngelber Qualm, kein schmorendes
Lederzeug, kein glühender Funken- und Mottenflug zwingt ihn, aus runden
Augen quere Sehschlitze zu machen; vielmehr beschenkt ihn der vielzüngig
brennende Vogel, dessen Qualm niederschlägt und über Brennesseln
kriecht, mit quicken Ideen und ähnlichen Rosinen. Denn wie das
entzündete Tier, Geburt aus Lumpen, Teer und Federn, sprühend, prasselnd
und höchst lebendig einen letzten Flugversuch macht, dann stiebend in
sich zusammenfällt, hat Amsel bei sich und in seinem Diarium
beschlossen, später, wenn er mal groß ist, die Idee des Vogel Piepmatz
wieder aufzunehmen: einen Riesenvogel will er bauen, der immerzu brennt,
päsert und funkert, der dennoch nie verbrennt, sondern ewig, immer und
von Natur, apokalyptisch und dekorativ zugleich, brennt, päsert und
funkert. - (hundej)
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