"Selbsterfahrungsgruppe beim Vögeln"
- Margaretha Dubach, in: Jürg Willi-Dubach, Die
Überwindung des Menschseins durch Anthropolyse, nach der Heilmethode von Prof. Pilzbarth. Zürich
1994
Vögeln (2) Daß mir so etwas passieren muß, sagte die Schwarze Witwe, welche Schande, in Rom, in der italienischen Kapitale. In Mailand kann man schreien, und niemand kümmert sich darum. Alle schreien nachts im Bett, und man hört die Schreie auf der Straße, aber in Rom ist eben der Papst, sagte der Anführer der Feuerwehrleute, das läßt sich nicht ändern.
Wenn einer meint, in einen Garten mit Gras und duftenden Blumen einzutreten und nichts als Steine, Gestrüpp und Dornen findet. Ich blutete. In einen solchen Garten war ich noch nie eingedrungen, er kam mir vor wie ein bombardiertes Grundstück, wie der Karst nach dem Ersten Weltkrieg oder die Türkei und Chile nach dem Erdbeben. Aber warum war die Schwarze Witwe in die Höhle heraufgekommen, warum hatte sie ihr Tor geöffnet? Warum hast du mich eindringen lassen? Sie lag mit knirschenden Zähnen auf dem Bett und zitterte. Ich kam nur langsam vorwärts zwischen dem Dorngestrüpp und den Steinen. Und sie war es, die jammerte, nicht ich. Alle anderen vor Lust, sie vor Schmerz. Der Rückzug wäre wahrscheinlich das beste gewesen, ich drang aber weiter vor, wer weiß, wohin ich gelangen wollte. Willst du die Wüste Sahara erforschen? Wenn schon. Eine riesige Fläche von feinem Sand. Hier dagegen Steine und giftige Dornen. Einen solchen Ort verlasse ich, aber ich bin geblieben.
Die Schwarze Witwe schwitzte. Jetzt reicht es, sagte sie, es ist mein Fehler,
daß ich falsch gebaut bin. Aber nein, wo ich schon drinnen bin, laß mich ein
bißchen vögeln, du wirst sehen, daß es dir vielleicht nach und nach sogar gefällt.
Und sie sagte, es tut mir nur weh. Du mußt dich besser beobachten, weil es Fälle
gibt, wo das Vergnügen sehr langsam kommt und am Anfang dem Schmerz sehr ähnlich
ist. Es braucht Geduld und Zeit. Ich warte seit Jahren, sagte sie, und warte
immer noch. Ihre Augen waren weit offen, die Pupillen vergrößert und die Lider
unsichtbar. Im allgemeinen halten die Fräulein und die Frauen die Augen geschlossen,
als wollten sie träumen, vielleicht sehen sie eine grüne Wiese, das Meer, den
Sonnenuntergang oder den silbernen Mond. Sie dagegen schaute an die Decke mit
weit aufgerissenen Augen, wie man nachts ein wildes Tier anschaut, dem man zufällig
im afrikanischen Urwald begegnet ist. Aber was habe ich denn hier zu schaffen?
Ich blutete immer noch. Einer solchen Frau bleibt man besser fern, und sie sagte
dann auch, geh jetzt, du tust mir weh, wenn du willst, können wir es morgen
nochmals versuchen, und sie schrie wieder aus voller Kehle. In diesem Augenblick
sind die Feuerwehrleute gekommen.
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Luigi Malerba, Der
Protagonist
. Berlin 1989 (zuerst 1973)
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