Viellebigkeit    Mit der Zeit verfaulte mein Vater, weitere Teile fielen von ihm ab, er starb, nahm dann eines seiner kargen und schmutzigen Leben wieder auf, fuhr fort zu sterben, wurde jedesmal anderswo aufbewahrt, man putzte seine Knorpelteile, und die Frage der Bemalungen war nicht mehr aktuell. Meiner Mutter gelang es jedenfalls, ihn von einem Tod zum anderen mitzuschleppen, wobei die Anzahl ihrer Tode stets geringer war als bei meinem Vater, dieweil sie maßvoller gelebt hatte. Von Zeit zu Zeit tauchte das Thema wieder auf. Wie sollte man es aber auch anstellen, um diese halberblindete Vagina mit ihren nicht mehr der Rede werten Schamlippen - dieses geburtenmimende Schleimgebrodel zum Schweigen zu bringen? Ich haßte meine Mutter gleichfalls, aber zärtlicher. Schließlich redete sie anständig, ja sogar mit Anmut. Sie in einer Säure aufzulösen, wie es früher der Brauch war, wäre zwecklos gewesen: sie wäre dann nur eines Tages wieder dagestanden, in ihrem großen braunen Mantel, den Fiberkoffer mit den Schulzeugnissen in der Hand, mit ihren Tortenrezepten und ihrem braven, verquollenen Gesicht ... vielleicht sogar mit einem falschen Namen, um sich heiraten zu lassen.   - Giorgio Manganelli, Unschluß. Berlin 1978
 

Leben

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