ideoüberwachung
Das Schwein wurde von einer Überwachungskamera des Hotel Sheraton an der Place
Charles Rogier gefilmt, eine ganz kurze Sequenz, man sieht das Schwein ins Bild
kommen, langsam, mit erhobenem Schädel, als würde es genüsslich flanierend die
frühsommerliche Luft schnuppern, ein Passant springt zur Seite, andere bleiben
erstaunt stehen, einige holen ihre Mobiltelefone heraus, um das Schwein zu fotografieren,
und da ist es schon aus dem Bild verschwunden. Dieses Video wurde auf YouTube
hochgeladen, unter dem Titel »Aankomst van een afgevaardigde op de conferentie
van de dieren«, von einem User, der sich Zinneke nannte. Im Sheraton wurde eine
Untersuchung gestartet, wer vom Sicherheitsper-sonai, der Zugriff auf die gespeicherten
Daten der Überwachungskameras hatte, dieser Zinneke war - der Hotelmanager befürchtete
einen Image-Schaden, wenn ein Video öffentlich kursierte, das ein freilaufendes
Schwein vor dem Eingang des Sheraton zeigte. Aber es gab keinen Image-Schaden,
im Gegenteil. Der Film wurde auf Facebook geteilt und in kürzester Zeit mehr
als dreißigtausend Mal gelikt. Die Metro-Zeitung konnte nun ein Bild des Schweins
veröffentlichen, worauf der Zeitung weitere Bilder zugespielt wurden, die von
den Überwachungskameras des Carrefour in der Chaussée de Louvain, des Postamts
in der Avenue de la Brabançonne und der Österreichischen Botschaft in der Rue
Kortenberg stammten. Alle diese Bilder waren so unscharf oder verwackelt, dass
Professor Kurt van der Koot, der nun eine fixe Kolumne in Metro bekam, nicht
mit letzter Sicherheit sagen konnte, ob es sich immer um ein und dasselbe Schwein
oder um verschiedene Schweine handelte. - Robert Menasse, Die Hauptstadt.
Berlin 2017
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